Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
war. Jeder wusste, dass Stallwoods Pflicht einzig und allein der Bassett galt, dem Schiff Ihrer Kaiserlichen Majestät, seinen Männern und seiner Mission. Dies verlangten die Kriegsartikel, die Traditionen der Royal Navy, die englischen Gesetze und die Gepflogenheiten unter den Matrosen von ihm. Dass der Kapitän vom Schlachtfeld geflohen war, fünf Gefallene beklagen und einen Mann als verloren betrachten musste, war eine Tragödie, die sich eines griechischen Helden als würdig erwiesen hätte. Wäre er an Ort und Stelle geblieben, hätte er seine Order verraten; als er den Kampfplatz verließ, verriet er seine Kameraden.
Alle Mann an Bord waren zornig, empfanden aber auch Mitleid.
Nun lagen fünf Leichen in Segeltuchsäcken vor ihnen, die doppelt vernäht waren, weil viele Körperteile lose darin lagen. Kapitän Smallwood starrte auf die Leichensäcke, während er mit der Schiffsbibel auf seinen Oberschenkel klatschte.
»Unser Messing-Christus«, sagte er leise und in einem bitteren Tonfall, der ganz anders war als seine sonst so entschlossene Stimme, »unser Herr litt auf dem römischen Uhrwerk. Die Zahnräder näherten sich kreisend Seinen Händen und Füßen. Die eiserne Spitze sprang zuckend auf Sein Herz zu. Doch selbst in Seinem Schmerz siegte unser Herr und nahm die Sünden der Welt auf sich. Seine Peiniger erhielten ihre gerechte Strafe. Rom ...« Smallwood schien für einen Augenblick den Faden zu verlieren, sammelte sich aber wieder. »Rom ging in Flammen auf.«
Der Kapitän sah sich um, betrachtete die Männer und klatschte weiter mit der Bibel gegen sein Bein, nun aber langsamer, im Rhythmus einer Totenklage. Ein fürchterlicher Gestank hatte sich breitgemacht, denn der allgegenwärtige Wind schwieg auf einmal, wie ein entfernter Verwandter bei einer Beerdigung. Der durchdringende Geruch von Blut und Tod ließ die Luft auf dem Deck stocken. Hethors Nacken kribbelte, als Smallwoods Blick kurz auf ihn fiel, dann zu Lombardo weiterwanderte – sie waren in Divisionen angetreten – und schließlich zu ihm zurückkehrte. Die braunen Augen des Kapitäns, die von einem qualvollen Fieber gezeichnet waren, brannten sich in Hethors Seele.
Er hoffte nur, dass der Wunsch nach Rache in den Adern des Kapitäns kochte, nicht die Fegefeuer des Wahnsinns.
Smallwood klatschte weiterhin mit der ledergebundenen Bibel auf seinen Oberschenkel. Schließlich blickte er darauf, als würde er jetzt erst bemerken, dass er die Bibel in den Fingern hielt. Er öffnete die Hand und ließ sie auf das Deck fallen. Als sie aufschlug, flatterten ihre Seiten für einen Moment, bevor sie still liegen blieb, regungslos wie der Wind.
»Rom ging in Flammen auf, Männer«, fuhr Smallwood fort, »als Strafe für seine Sünden. Fünf unserer Kameraden wurden auf dem Altar heidnischen Verrats geopfert, und Oberleutnant zur See Malgus wurde von diesen bösartigen Wilden entführt. Wir werden unserem Befehl Folge leisten und General Gordon finden. Mit seinen Leuten und unserer tapferen Mannschaft werden wir diese Wilden dafür bezahlen lassen, dass sie unser Leben, unsere Ehre und unsere gnädige Königin gekränkt haben.«
Ein Horn intonierte »God save the Queen«, wenn auch falsch, und die Mannschaft stimmte ein. Hethor betrachtete es als wenig angemessen für eine Beerdigung. Als die letzten leisen Töne verstummten, sagte Smallwood in seinem üblichen Befehlston: »Wir werden unsere Toten über ehrlichem Wasser beerdigen, sobald wir die nächste Gelegenheit dazu haben, damit diese geflügelten Wilden sich nicht an den Gebeinen ehrlicher Engländer laben können. Schiffsmusterung, weggetreten.«
Die Mannschaft eilte wieder auf ihre Stationen. Nur diejenigen, die nicht auf Wache waren, verzogen sich in ihre Hängematten und Verstecke. Hethor stand vor den Segeltuchhaufen, die noch vor so kurzer Zeit lebendige Menschen gewesen waren.
Keiner der Gefallenen war Hethor ein guter Freund gewesen. Doch de Troyes hatte sich ihm gegenüber als freundlich und rücksichtsvoll erwiesen, obwohl solches Taktgefühl in keiner Weise gerechtfertigt gewesen war.
Die Schiffsbibel lag immer noch auf den Decksplanken. Eine Seite war umgeknickt, und die nachmittäglichen Sonnenstrahlen glitzerten auf einer Stelle, die mit Bleistift hervorgehoben war.
Neugierig hob Hethor die Bibel auf.
Sie war beim Buch Hiob aufgeschlagen, Kapitel 40. Mit leiser Stimme las er die unterstrichenen Zeilen. Mehr konnte er nicht tun, um die Toten zu segnen und für den
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