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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Königreiche der Nördlichen Welt zu verführen. Diese Königreiche nun zu seinen Füßen zu sehen, rief bei Hethor Übelkeit und Angst hervor. Nur mit größter Mühe konnte er den Schrei unterdrücken, der sich aus seinem Inneren einen Weg in die Freiheit bahnen wollte.
    Und noch immer stiegen sie höher, doch heute waren seine bisher unermüdlichen Entführer langsamer. Wo immer er auch hingebracht werden sollte – »nach oben« gehörte eindeutig zur Wegbeschreibung. Hethor versuchte seinen Mut zu mobilisieren und warf immer wieder durch zusammengekniffene Augen einen Blick auf die Welt unter ihm, um sich von seiner Angst zu befreien, denn diese Angst würde ihm bei seiner Mission, den Schlüssel der Ewigen Bedrohung zu finden und die Räder der Zeit aufzuziehen, nur hinderlich sein.
    Also konzentrierte er sich auf seinen Hunger und seinen Durst, auf alltägliche körperliche Bedürfnisse, wie groß sie mittlerweile auch geworden sein mochten. Dank dieser Ablenkung gelang es ihm tatsächlich, seine Furcht zu unterdrücken, und er konnte die Königreiche der Nördlichen Welt betrachten.
    Und da endlich erkannte er, wie schön die Welt ist.
***
    Im Lauf des Tages wurde die Luft immer dünner und kälter, die Mauer immer trostloser. Die geflügelten Wilden bewegten sich jetzt noch langsamer. Entweder wurden sie müde oder die übernatürlichen Kräfte, die ihnen unglaubliche Geschwindigkeit und Wildheit in niedrigeren Höhen verliehen, wirkten nicht mehr. Hethor starrte in die Höhe, wo sich die Sterne ihren Platz mit einem sonnenüberfluteten Himmel teilten. Er hoffte, gute Sicht auf das Messinghohlrad zu haben, das sich über der Mauer befand.
    Mit einem letzten Flügelschlag überquerten sie einen Klippenrand. Hier war der Boden flach und stieg nicht mehr an. Obwohl die Luft dünn und kalt war, gab es Obstgärten, Felder und wild wachsende, kleine Wälder. Dahinter erhob sich in einigen Meilen Entfernung vom Klippenrand eine Wand aus Messing.
    Hethor schaute auf und erkannte den Winkel der Zähne am Zahnrad, die im Messing fast unmittelbar vor ihm ein Tal bildeten. Er schätzte die Entfernung vom Boden bis zum Zahnfuß auf wenigstens eine Meile, aber die Winkel machten es ihm unmöglich, weitere Abmessungen vorzunehmen – er hatte keine Vergleichswerte. Die Messingverzahnung war blitzsauber und vollkommen rein, im Gegensatz zur Mauer, die vor Menschen und Kreaturen und wundersamen Städten nur so strotzte.
    Hier war die Berührung von Gottes Hand zu spüren.
    Hethor schloss für ein stilles Gebet kurz die Augen, während die geflügelten Wilden über die Obstgärten flogen. Mit zittriger Hand schlug Hethor das Zeichen der Räderung in die Luft.
    Als er die Augen wieder öffnete, setzten seine Entführer ihn gerade vor einem beeindruckenden Gebäude ab. Sie ließen die Seile aus Schafssehnen los und erhoben sich sofort wieder in die dünne Luft, wobei sie Hethor ignorierten, als hätte er nie existiert.
    Dann war er allein.
    Das Gebäude war unverkennbar ein Tempel, war allerdings im Stil der sagenumwobenen Tempel des Königreichs der Mitte erbaut worden. Es war ziemlich hoch und verfügte oberhalb des massiven Marmorfundaments über vier Stockwerke. Außerdem gab es rot lackierte Säulen, und jede Ecke des grünen Ziegeldachs bog sich nach oben. Die Fassade war mit schmalen Fenstern durchsetzt, die fast die gesamte Höhe der verblichenen gelben Mauern einnahmen, und ihre Holzrahmen waren mit geschnitzter Filigranarbeit verziert, die Hethor an die Szenen erinnerte, die auch die geflochtenen Paneele in der senkrechten Stadt tief unter ihm gezeigt hatten.
    Doch wichtiger noch war der Zierteich, der im Fußweg direkt vor Hethor eingelassen war. Goldene Karpfen schwammen zwischen Wasserlilien. Er stolperte vorwärts und fiel in den Teich. Das kalte Wasser umschmiegte seine raue, rissige Haut und seine blutenden Lippen, und er trank voller Gier, um seinen Durst zu stillen. Doch er musste das Wasser gleich wieder ausspucken, weil er beinahe daran erstickt wäre. In diesem Augenblick hätte Hethor seine Seele dafür gegeben, ein Fisch zu sein.
    Schließlich setzte er sich. Sein Hals und sein Magen taten ihm weh. Er musste dringend urinieren und wünschte sich nichts sehnlicher, als etwas zu essen. Doch zuerst kümmerte er sich um das dringlichere Problem und erleichtert sich. Dann dachte er kurz daran, die Karpfen zu fangen und zu essen, entschied sich dann aber für eine Lilie, die er herausrupfte, um auf ihrer

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