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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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blassen Unterwasserwurzel zu kauen. Vielleicht, überlegte er, fand er etwas Essbares in den Obstgärten hinter ihm.
    Dies war ein Ort, an dem man an die wildesten Erzählungen über Zauberei und Hexerei der Südlichen Welt glauben und sie für genauso wirklich halten konnte wie die Heiligen des Messing-Christus.
    Triefend nass stieg Hethor aus dem Teich und kam auf dem gepflasterten Fußweg schwankend zum Stehen. Die Schafssehnen klebten noch an ihm und hatten sich fest um seinen Körper gewickelt. Er brauchte mehrere Minuten, bevor er sich von den grässlichen Dingern befreit hatte. Da Wind und Kälte an ihm zerrten, gab er seine Pläne bezüglich der Obstgärten auf und suchte Schutz im Tempelsäulenvorbau.
    Hethor blickte über die Schulter, als er den Fußweg entlangstolperte, und sah beleibte Männer zwischen den Bäumen stehen. Sie trugen orangefarbene Gewänder und erinnerten Hethor an die Stadt mit den Türmen aus steinernen Menschen. Allerdings hatten diese Männer hier eher etwas von Menschenaffen an sich, denn sie waren stark behaart, die Gesichter flach, mit riesigen Nasenlöchern und fliehender Stirn.
    Drei Marmortreppen führten nebeneinander zum Tempelsäulenvorbau hinauf. Zwischen ihnen verliefen kunstvoll verzierte Rampen aus Marmor, auf denen Drachen zu sehen waren, die Wolken vor sich her jagten. Hethor entschied sich für den Weg zur Rechten. Er humpelte Stufe um Stufe hinauf und hielt sich am Marmorgeländer fest. Er wollte nur noch Schutz vor dem Wind. Mit jeder Stufe zitterten seine Beine heftiger, und er drohte zu Boden zu stürzen. Es war zum Verzweifeln. Am Fischteich hatte er nicht trinken können, und nun trieb ihn der Durst fast in den Wahnsinn.
    Der Säulenvorbau erhob sich über drei Holztüren, die rot lackiert waren und chinesisch anmuteten. Sie waren fast so hoch und schmal wie die Fenster entlang der Gebäudefassade. Filigrane Paneele aus Gold, nicht breiter als Hethors Hand, waren in die Türblätter eingearbeitet und zogen sich bis weit nach oben. Über den Türen befand sich ein großes blaues Schild mit chinesischen Schriftzeichen in goldener Farbe, die Hethor so unverständlich waren wie die verlorene Goldtafel.
    Er bewegte sich auf den nächsten Durchgang zu und erkannte, dass die Türschwelle ein hoher Balken war, genau wie in der senkrechten Stadt viele Meilen unter ihm. Hethor berührte die Türtäfelung mit den Fingerspitzen, und die Tür schwenkte lautlos zur Seite. Im Inneren tanzten Staubkörner im Licht goldener Strahlen, die von oben durch ein Fenster hineinfielen. Die Möbel lauerten im Schatten wie Monster in einem Brunnen.
    Hethor schritt über die hohe Türschwelle und ließ den kalten Wind hinter sich. Er betrat einen Raum nahezu völliger Stille, die nur von einem leisen Murmeln unterbrochen wurde, als würde jemand in weiter Ferne flüstern oder vorsichtig auf Seidenschuhen gehen.
    Die sanften Lichtmuster der großen Halle waren leichter zu erkennen, als Hethors Augen sich an das Innere gewöhnt hatten. Auf gewaltigen Wandteppichen waren muskulöse Teufel oder Götter zu erkennen, mit höchst merkwürdiger Hautfarbe und zahllosen Augen. Niedrige, lackierte Tische standen unter den Wandbehängen, deren Beine leicht nach außen gebogen waren; auf jedem Tisch stand eine Vase oder Schüssel oder Jadestatue. Die Raummitte wurde von einer großen Metallstatue beherrscht; es konnte sich aber auch um eine Rüstung handeln. Bei einer Größe von vielleicht drei Metern hatte Hethor allerdings keine Ahnung, wer so etwas tragen könnte.
    Die Vasen und Schüsseln, die so kunstvoll angeordnet waren, schienen kein Wasser oder Nahrung zu enthalten. Hethor beschloss daher, tiefer ins Gebäude vorzudringen. Als er an der Metallstatue vorbeiging, schnellte ein großer Arm vor. Die behandschuhte Faust, deren Größe ungefähr Hethors Kopf entsprach, hätte ihn beinahe vor die Brust getroffen, ohne dabei das leiseste Geräusch zu machen.
    Hethor schrie gellend auf und sprang zurück. Die Geräusche in der Ferne verstummten, als der gepanzerte Kopf sich zu ihm drehte. War im dunklen Sehschlitz des Helms ein Schimmern zu erkennen?
    »Ich brauchte Wasser«, keuchte Hethor.
    Als die Rüstung sich umdrehte und ins Innere des Tempels stapfte, folgte Hethor ihr stolpernd. Es war unheimlich, wie geräuschlos sich die Rüstung bewegte, doch ihm war kalt, und er hatte quälenden Durst.
    Sie durchquerten mehrere sich ähnelnde Räume – hohe Türschwellen, Wandteppiche, Sonnenstrahlen, die

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