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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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einen Sturm herbeirufen könnte.«
    Hethor betrachtete den Chinesen lange und eingehend. »Waren Sie es? Die Wilden sind nicht aus freien Stücken zu mir gekommen.«
    »Wer bin ich, dass ich darauf antworten könnte? Aber ich vernachlässige meine Pflichten.« Wieder faltete er die Hände vor der Brust, die Handflächen aneinandergelegt, mit den Fingern nach oben. »Ich bin der Abt des Jade-Tempels. Den hochverehrten Mister Malgus kennst du bereits.« Er hielt inne – eine Aufforderung an Hethor, zu antworten.
    Hethor zögerte; dann atmete er tief durch. »Ich bin Hethor Jacques, ein Matrose eines Schiffes Ihrer Kaiserlichen Majestät, der Bassett . Vor Kurzem wurde ich von diesen Kreaturen entführt. Ich habe eine Lehre als Uhrmacherlehrling in New Haven, Connecticut begonnen. In Neuengland. In Amerika. Und ich bin sehr durstig und sehr hungrig.«
    »Ich weiß, wo Connecticut liegt«, sagte der Abt sanft. »Und ich weiß, was es bedeutet, schrecklichen Durst und Hunger zu leiden.« Er klatschte behutsam in die Hände. Sofort betraten mehrere haarige Männer den Raum, die derselben Spezies angehörten, die Hethor draußen in den Obstgärten gesehen hatte. Auch ihre Gewänder waren orangefarben, und sie trugen keine Schuhe an ihren behaarten Füßen.
    Die Wesen brachten mehrere Tabletts, die sie vor dem Abt, Simeon Malgus und Hethor abstellten, zusammen mit großen Wasserkrügen, Leinentüchern und einem kleinen Stuhl, auf den Hethor sich setzen konnte. Die Wesen kamen und gingen in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung, ähnlich den Wellen, die sich an den Felsen vor den Stränden Connecticuts brechen, und ließen nur ihre Gaben zurück.
    Hethor betrachtete sein Tablett für einen Moment, während er mit zitternder Hand bereits nach einer Keramiktasse mit kristallklarem Wasser griff. Es gab Datteln, Oliven, Aprikosen und eine körnerbedeckte, dunkellila Frucht, deren Namen er nicht kannte. Kleine Reisbälle mit Gemüse. Flache Blätter, die um eine gelbe Paste gewickelt waren. In einer kleinen Schüssel dampfte eine Suppe, die fremdartig, aber köstlich roch.
    Chinesisches Essen? Hethor hatte von Affengehirnen, Hundeeintopf und Tellern mit warmen Schnecken gehört. Dieses Essen jedoch sah appetitlich aus und wirkte seiner Unvertrautheit zum Trotz fast normal.
    Malgus hatte ein ähnliches Tablett erhalten, doch der Abt des Jade-Tempels bekam nur zwei Datteln und einen Granatapfel. Hethor trank sein Wasser in kleinen Schlucken, als der Abt wieder die Hände faltete.
    »Ehre sei dem Göttlichen, Ehre sei dem Geist, Ehre sei unserer Gemeinschaft«, sagte er. »Gesegnet sei dieses Essen und die, die es bereitet haben.«
    »Dank sei dem Herrn«, sagte Hethor. Er erkannte ein Gebet, wenn er es hörte, auch wenn es sich an eine heidnische, chinesische Gottheit richtete.
    Eine Zeit lang verlor er sich in den verschiedenen Geschmacksrichtungen, die er in seinem Essen entdeckte. Das Obst war wundervoll frisch, und die körnerbedeckte Frucht war mit einem herb schmeckenden, faserigen Fleisch gefüllt, das so hell war wie Eis. Die Reisbälle waren gut gewürzt, die Suppe mit einem Hauch Essig, Pfeffer und irgendetwas Saurem versehen, wohingegen die Paste in den Blättern sich als unerwartete Mischung aus Bananen und Mais erwies. Geruch und Geschmack beruhigten Hethors Magen und vermittelten ihm ein Selbstgefühl, das schon fast wieder als normal bezeichnet werden konnte.
    Als Hethor aus der Verzauberung des Essens erwachte, bemerkte er, dass der Abt und Simeon Malgus ihn betrachteten. Der Abt hatte seine kärgliche Mahlzeit nicht angerührt, und Malgus nahm nur eine Kleinigkeit zu sich.
    »Es tut mir leid«, sagte Hethor, auch wenn er nicht wusste, wofür er sich eigentlich entschuldigte.
    Der Abt des Jade-Tempels lächelte. »Es gibt Augenblicke, in denen der Genuss anderer eine Freude für einen selbst ist.«
    »Fühlst du dich besser?«, fragte Malgus.
    Hethor goss sich noch etwas Wasser ein und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er antwortete. »Ja. Aber ich gehe davon aus, dass ich meine Kleidung bald waschen sollte.«
    Malgus nickte und zwinkerte ihm unauffällig zu.
    Der Abt lächelte. »Nun, da du dich erfrischt hast und wieder klar denken kannst – wie kann ich dir behilflich sein?«
    Hethor betrachtete Malgus genauer. »Was macht er hier? Und wo wir schon dabei sind: Was mache ich hier?«
    Der Abt des Jade-Tempels starrte Malgus an, der sich räusperte und kurz auf seine Hände schaute, bevor er Hethors Blick

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