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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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versuchte.
    Wieder ließ Hethor den Blick über das sternenhelle Wolkenmeer schweifen, ignorierte das Knurren seines Magens und fragte sich, was die goldene Tafel wohl zu bedeuten gehabt hatte.
***
    Die Morgendämmerung und ein lautes Rascheln ließen Hethor erwachen. Er hatte nicht nur das Rattern der Mitternacht hoch über ihm verschlafen, er hatte auch seinen Hunger und die Schmerzen in Armen, Beinen und der Blase ignoriert.
    Er sah sich um.
    Noch immer kauerte er auf dem Felsvorsprung, zusammen mit einem Dutzend geflügelter Wilder. Sie breiteten ihre Schwingen aus, um sie im Morgenlicht zu wärmen, was das Rascheln erklärte. Seine Entführer übersahen ihn vorerst.
    Hethor kroch an den Rand des Felsvorsprungs und versuchte dabei, sein Gewicht möglichst nach hinten zu verlagern, sollte die Felsnase, wie er sie sich vorgestellt hatte, tatsächlich existieren. Als er vorsichtig in die Tiefe schaute, entdeckte er in seinem direkten Blickfeld weder Felsen noch Klippen, nur eine kleine Wiese, auf dem sich blasse Flecken bewegten – vielleicht Schafe oder Bergziegen. Die Mauer bog sich unterhalb des grünen Feldes ein wenig nach außen und bildete eine leichte Schräge, bis sie in der Ferne in einer strahlend hellen Linie auf das Meer traf.
    Vier von Hethors Entführern sprangen über den Rand. Sie breiteten ihre Flügel aus und kreisten ein paar Augenblicke, um die Flügel dann zusammenzufalten und in einen Sturzflug überzugehen. Hethor beobachtete, wie sie die gut fünfhundert Meter hinunter bis zur Wiese fielen. Ihr Anführer packte eins der grasenden Schafe im Flug und kämpfte sich mit seiner Beute wieder nach oben, während ihn die anderen zu allen Seiten absicherten. Das Schaf wurde auf demselben Weg transportiert wie Hethor letzte Nacht. Dann wurde es auf den Felsvorsprung geworfen und blökte vor Angst, bis ein Schwertstreich seinen Hals durchtrennte. Die geflügelten Wilden stürzten sich auf das arme Tier und zerrissen es mit ihren Klauen und Mäulern in einem wirren Durcheinander aus Wolle, Blut und glitschigen, dunkelroten Fleischbrocken.
    Dann packten zwei der geflügelten Wilden Hethor an den Armen, wobei sie blutige Abdrücke auf seinem Leinenhemd hinterließen, und stellten ihn auf die Füße. Einer von ihnen reichte ihm ein Knäuel, das aus blutigen dünnen Seilen zu bestehen schien, die sich bei genauerem Hinsehen jedoch als Sehnen des glücklosen Schafes erwiesen. Dann machte der Wilde mit seinen Klauen drehende Bewegungen um seine Hüfte.
    Hethor starrte auf die schleimigen, warmen Dinge, die in seiner Hand hin und her rutschten. Was sollte er damit?
    Der geflügelte Wilde schlug sich leicht auf die Hand und wiederholte die Bewegungen, fügte jetzt aber pantomimisch hinzu, wie er nach oben gehoben wurde. Es schien ihm nicht um Gewaltandrohung zu gehen.
    Endlich erkannte Hethor, was die Kreatur meinte. Ein Tragegurt! Sie wollten ihm einen Tragegurt anlegen, um ihn besser transportieren zu können. Hethor bezweifelte allerdings, dass sie dies aus Rücksicht auf ihn vorschlugen. Sie wollten sich lediglich die Arbeit erleichtern. Diese Wesen hatten den Auftrag, ihn irgendwo hinzubringen – und dies in einem halbwegs vernünftigen Zustand.
    Immerhin würden sie ihn nicht wie das arme Schaf zerfleischen und verschlingen.
    Hethor hatte keine Ahnung, ob die rohen, unbehandelten Sehnen ihn halten würden, aber wenn man bedachte, wie die geflügelten Wilden ihn von der Bassett geworfen und wieder aufgefangen hatten, war das sowieso ohne Bedeutung. Sich über einen möglichen Sturz Gedanken zu machen, war müßig. Alles, was gerade mit ihm geschah, war furchteinflößender als ein Sturz.
    Zusammengeknotet ergaben die Sehnen eine Länge von etwa anderthalb Metern. Hethor brauchte mindestens die drei- oder vierfache Länge, bevor er einen primitiven Bootsmannstuhl herstellen konnte. Er breitete die Arme zu voller Länge aus, zeigte den Wilden das blutige Seil und hielt dann drei Finger in die Höhe: Dreimal die Länge seiner ausgebreiteten Arme.
    Der Wilde, der ihm die Sehnen gereicht hatte, trat ein paar Schritte zur Seite und ließ sich vom Felsvorsprung fallen, gefolgt von mehreren Artgenossen. Nach kurzer Zeit kehrten sie mit weiteren Knäueln aus Schafssehnen zurück. Zumindest ging Hethor davon aus, dass es sich um Schafssehnen handelte. Er versuchte sich das Gemetzel auf der Wiese gar nicht erst vorzustellen. Schaudernd nahm er die widerlichen blutigen Dinger entgegen und knüpfte sich daraus Seile

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