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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ihnen erhob sich die Insel ihrer Abrechnung aus sonnengetränkten Fluten.
    Childress redete leise mit dem Bootsmann. Ihr Schuldgefühl zwang sie zu diesem Gespräch genauso sehr wie ihre Zuneigung zu dem groß gewachsenen Schotten.
    »Wie war es auf Borks Schiff?«, fragte sie.
    Er wandte sich kurz ab, und ein Ausdruck großen Schmerzes huschte über sein Gesicht. »Ein Mann sollte nie zu viele Eide schwören, Maske. Mit der Zeit wird er sein eigenes Wort brechen.«
    »Wurden Sie …« Sie hatte Angst vor dem Wort.
    »Gefoltert?« Er lachte, auch wenn es eher den Anschein eines Würgens hatte. »Nein, außer Sie nennen einen ordentlichen Schluck Rum und ordentlichen Schweinefraß der Royal Navy, serviert auf einem Blechtablett, Folter. Sie haben mich viel schlechter behandelt. Sie waren vernünftig .«
    Childress flüsterte: »Was haben Sie getan?«
    »Nichts.
    »Nichts?«
    »Nichts. Ich habe weder von diesem Schiff noch seiner Besatzung gesprochen. Ich habe ihnen nicht von der Maske Childress erzählt, die ich mittlerweile als Freund ansehe.« Er unterbrach sich kurz und sprach dann weiter. »Ich habe nicht um Unterstützung für den verrückten Doktor an der Mauer gebeten. Das hätte zu viel von unseren Zielen verraten. Und Boas.«
    Als sie den Kummer in seiner Stimme hörte, trat Childress an ihn heran und schlang ihre Arme so weit um al-Wazirs massige Schultern, wie sie es konnte, und hielt ihn in ihren Armen, während er weinte.
    Wang
    Zu seiner Überraschung fuhren sie unbehelligt an der nordafrikanischen Küste entlang. Er hatte damit gerechnet, dass sich Luftschiffe dröhnend auf sie herabstürzten oder eine Flotte aus Port Said oder Kairo oder einem der italienischen Häfen die Jagd auf die Good Change eröffnen würde. Sie hätten auch einfach nur Pech haben können.
    Stattdessen gab es nur Wasser, eine Küstenlinie und ruhigen Seegang. Es gab Anzeichen für einen Sturm, aber nichts geschah. Eine Zeit lang folgten Delphine ihrem Schiff. Die Mannschaft war so mürrisch und schweigsam wie immer. Wu murmelte ihm ab und zu etwas zu, und Wang entdeckte, dass man ihm noch Garnelen übrig gelassen hatte, wenn er nach dem Essen der Besatzung unter Deck ging.
    Er konnte sich nicht erinnern, mit sich in Frieden gelebt zu haben, nicht seitdem er die Bibliothek in Chersonesus Aurea verlassen hatte. Es war die Angst in verschiedensten Ausprägungen, die ihn weitergetrieben hatte, die seine Seele verfinsterte, seine Gedanken trübte und ihm viel von dem genommen hatte, wer er war oder was er war.
    Jetzt, eingesperrt auf einem Schiff mit wütenden Männern, die weit von ihren heimatlichen Gefilden entfernt waren, war er wieder nur Wang. Der Sohn einer Bauernfamilie, ein Katalogisierer und Archivar, ein Untertan der Sonne des Himmels, ein Bewohner der Nördlichen Hemisphäre.
    Wang fragte sich, woher dieses unerwartete Gefühl des Friedens stammte.
    Wo immer sich der Krieg auch gerade abspielte, er folgte ihnen nicht durch das Mittelmeer. Er konnte sich die Bombardements, den Beschuss, die Duelle auf den Wellen und in der Luft gut vorstellen, die sich zwischen Singapur und der afrikanischen Küste der Mauer ereigneten.
    Wenn der Krieg dort blieb und weder das Südchinesische Meer noch den britischen Atlantik erreichte, nun, dann war dies der übliche Wettbewerb zwischen den Nationen.
    Aber das Projekt der Goldenen Brücke, das durch seine Arbeit in der versunkenen Bibliothek vorangetrieben worden war, würde die Waage deutlich in eine Richtung ausschlagen lassen. Die Feuer, das Morden, das Sterben würden sich über den gesamten Erdball erstrecken. Childress hatte recht gehabt, sich gegen den Weg auszusprechen, den das Himmlische Königreich über die Mauer zu bauen trachtete. Ob es sich nun um alte Magie oder moderne Ingenieurskunst handelte, wäre dann völlig belanglos, wenn sie erst einmal diese Wunde im Gefüge der Welt erneut aufgerissen hatten.
    Sie hatte Angst davor gehabt, was von der anderen Seite in unsere Welt hinübergelangen könnte. Er hatte Angst vor dem, was diese Seite auf die andere hinüberbringen würde.
    Wang wusste immer noch nicht, was er tun würde, wenn er Childress einholte. Sie nach Phuket zurückzubringen erschien ihm selbst sehr unwahrscheinlich. Was die Mannschaft der Good Change anging, so könnte er ruhig mitten auf Malta stehen, und ihre Vergeltung würde ihn nicht erreichen.
    Niemand war vor dem Schweigsamen Orden sicher – sie waren wie die Zange aus Schanghai und Hongkong, die man auf

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