Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
gehen.«
»Warum?«, fragte sie mürrisch.
»Weil du deine Luft aufgebraucht hast. Du kannst jetzt mit den Funken des Schiffs kein weiteres Wasser aufspalten, weil du dir sonst Schaden zufügst oder ein Feuer im Rumpf verursachst.«
Paolina richtete sich auf und merkte erst jetzt, dass sie in einen Streifen gummierten Segeltuchs gewickelt und an die Heckreling gestützt worden war.
Hat er mich zugedeckt? , dachte sie.
Boas kehrte ans Steuerruder zurück und löste die Keile. Er sah über die Schulter zu ihr. »Wir sind an der westlichen Ausbuchtung Afrikas, wenn ich die von Mr Kitchens gezeichnete Karte richtig verstehe. Ich erwarte, irgendwann Spanien zu entdecken.«
Sie hörte die stotternden Motoren, der Tragkörper knarzte und quälte sich in einer Höhe, die er niemals hätte erreichen sollen. Sie spürte das Ächzen des Rumpfs, wie jede einzelne Planke sich ein wenig zu sehr zusammenzog, als ob die Termiten und Holzwürmer selbst hinabfielen, der Freiheit weit unter ihnen entgegen.
Eis! Mein Gehirn verwandelt sich in Eis.
»Ich werde nicht unter Deck gehen«, murmelte Paolina.
Er winkte sie heran. Sie glitt erneut in die kühle Beuge seines Arms und versuchte, ihre Wange an seine Brust zu legen.
»Ich liebe dich«, sagte sie zu ihm.
»Du kennst die Bedeutung dieses Worts nicht«, antwortete er sanft. »Ich auch nicht, denn ich habe kein Herz. Einen Intellekt, ja, und Mut, wenn ich seiner bedarf, aber wenn ich nur ein Herz hätte …«
»Dann sind wir wie füreinander geschaffen.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. »Ein Witz von Gott, dem Schöpfer. Du wurdest erschaffen, allein unter Tausenden deinesgleichen zu sein. Ich wurde erschaffen, unter allen Menschen allein zu sein. Wir k-k-k-können gemeinsam al-l-l-lein sein.«
Er zog sie näher an sich heran.
Paolina versuchte, seine Wange zu küssen, aber ihre Lippen blieben an ihm kleben, und sie musste sich freimachen, unter kurzen, stechenden Schmerzen. Sie saugte noch einmal an ihrem leeren Sauerstoffbehälter, dann stolperte sie zur Leiter zurück, um sich zwischen die warme, atmende Masse der Männer zu legen.
Sie fragte sich, wo die Hexenmeisterin war.
Das laute Surren der Motoren, denen es ebenso an Luft mangelte, wog sie viel zu schnell in den Schlaf.
Childress
Der Mönch schien ihre Verblüffung sichtlich zu genießen. Sie klopfte die Asche ihrer Pfeife in das Wasser des Mittelmeers aus und machte sich daran, sie neu zu stopfen. Ihr verrückt machendes Grinsen blitzte in der Abenddämmerung wie ein umherhuschender Glasbärbling auf.
»Auch wenn sich niemand mehr daran zu erinnern scheint, führe ich immer noch das Kommando auf diesem Schiff«, sagte Kapitän Leung in seinem sanftesten und zugleich gefährlichsten Tonfall.
»Sie haben nun Karten, mit denen Sie den Kurs festlegen können.« Der Mönch sah in den nachmittäglichen Himmel. »Nachts werden sie sicher sein, aber genau in diesem Augenblick verstecken sich vermutlich einige fröhliche Matrosen in den Wolken über unseren Köpfen.«
»Ich werde mein Schiff führen, wie ich es für richtig halte. Keine von ihnen beiden, und auch nicht der Jade–Abt, habt an Bord der Five Lucky Winds etwas zu sagen.«
»Ich nicht«, sagte der Mönch. »Auch der Jade-Abt verfügt über keine Befehlsgewalt. An vielen Tagen ist er froh, wenn ihm jemand seinen Tee bringt. Wir dienen alle.«
Leung sprach noch langsamer weiter. »Was machen Sie hier?«
Der Mönch war nun ernst, so plötzlich, wie eine Wolke die Sonne verhüllen kann. »Ich sorge dafür, dass die Maske ihr Ziel erreicht. Ohne die Karten würden sie ein zu großes Risiko eingehen.«
Dies versetzte Childress einen Stich. »Ich habe bisher meinen Weg recht gut allein gefunden.«
»Natürlich haben Sie. Ansonsten wären Sie nicht die Maske.« Ein Zug an der Pfeife, und ihre Unverfrorenheit kehrte zurück. »Doch selbst der größte Dieb braucht jemanden, der ihm die Leiter hält.«
»Ich bin kein Dieb!«
Der Mönch lachte. »Was sind Sie denn sonst? Sie haben Ihren Titel einer toten Frau gestohlen. Sie haben das Mädchen denjenigen gestohlen, die sie zu besitzen versuchten. Sie haben die Leben einer gesamten Flotte gestohlen. Sie haben dieses Unterseeboot gestohlen und das Herz eines Kapitäns der Beiyang Navy. Nun wollen Sie den inneren Kreis der avebianco seiner Macht berauben, ähnlich dem Affenkönig, der die Pfirsiche des Himmels zu stehlen versucht.«
Das versetzte Childress weniger einen Stich, als dass es sie
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