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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Schritte weit in die Stadt hineinkäme, bevor man ihn als Spion enttarnte.
    Wu ruderte ihn durch den Hafen.
    Wang wünschte, mit dem Mann, der ihm geholfen, ihn aber auch gequält hatte, ein Gefühl der Verbundenheit herzustellen. Daher fragte er ihn: »Sagen Sie mir eines. Was würde aus Ihnen werden, wenn Sie hier an Land gingen? Sie könnten mit mir die Stadt betreten und eine andere Welt sehen als das Land der Geister und Schiffe, das Sie sich zu eigen gemacht haben.«
    »Wir sind Geister. Das habe ich Ihnen schon erklärt.«
    »Ein Geist an Land ist immer noch ein Geist.«
    »Aber er ist nicht ich.« Wu ruderte sie nah an eine Steintreppe heran, an der sich die Wellen klatschend brachen. »Kommen Sie hierher, und sehen Sie nach der Good Change . Wenn wir dazu gezwungen wurden, an einen Ort zu fahren, kehren Sie regelmäßig zurück. Bringen Sie bei Nacht eine Lampe mit.«
    »Das ist ein dummer Plan«, protestierte Wang. »Wie soll ich Sie sehen? Dieser Hafen ist voller Schiffe, und die Hälfte von ihnen ist weiß. Am Abend werden an der gesamten Küste unzählige Lampen und Kerzen angezündet werden.«
    »Ich werde Sie sehen.« Etwas von der unerbittlichen, grausamen Gleichgültigkeit des Kô schwang in seiner Stimme mit.
    »Dann werden wir uns wiedersehen.« Als er aus dem Boot kletterte, fragte sich Wang, ob er sich einen besseren Abschiedsgruß hätte einfallen lassen sollen.
    »Kleiner Mann«, rief ihm Wu vom Boot aus zu.
    Der Katalogisierer drehte sich um und sah auf ihn herab.
    »Sie haben sich besser gehalten, als ich es erwartet hatte.« Der Seemann ruderte aufs Meer hinaus.
    Er war auf unerklärliche Weise erfreut über dieses Lob. Er drehte sich um und schloss sich der lautstarken, hektischen Menge eines belebten Hafens an, nur um wenige Augenblicke später in ihr unterzutauchen. Er wurde nicht als Spion enttarnt, man rief ihm nicht einmal hinterher; er war nur ein weiteres sonnengebräuntes Gesicht mitten unter sonnengebräunten Gesichtern, die sich hin und her bewegten, anonym und geschäftig.
    Wie sollte er Childress hier bloß finden?
    Childress
    Die Five Lucky Winds dampfte mit wehenden Fahnen und der Mannschaft auf Deck in den Hafen Valettas. Das erregte eindeutig Aufsehen, auf den Decks vieler Fischerboote über die Balkone der Hafengebäude bis hin zur Menge im Hafenviertel.
    Childress stand gemeinsam mit Leung auf dem Kommandoturm. Der Mönch war natürlich nirgendwo zu sehen. Al-Wazir wartete mit seinem Einsatztrupp auf dem Vorderdeck. Sie hatten sich diskret bewaffnet, damit sie nicht den Eindruck einer Invasionsstreitmacht hervorriefen.
    Als ob ein einhändiger Schotte und acht chinesische Matrosen sich mit einer ganzen Insel anlegen würden.
    Sie wünschte ihnen auf jeden Fall alles Glück der Welt. Im Augenblick waren tausend auf sie gerichtete Augen sicherer als Anonymität. Das britische Luftschiff legte bereits von seinem Ankermast ab und bewegte sich so schnell voran, dass sein Kapitän offensichtlich in Panik ausgebrochen sein musste.
    Kleinere Wasserfahrzeuge wichen dem Unterseeboot hektisch aus, und die größeren Schiffe begrüßten sie mit langen Heultönen ihrer Dampfpfeifen. Irgendwo in der Stadt begann eine Glocke zu läuten, der sich bald andere Kirchen anschlossen, sodass im gesamten Hafen dutzendfaches Läuten zu hören war.
    Einen Augenblick lang schien alles in ihr innezuhalten, um sich auf den Sprung ins Ungewisse vorzubereiten. Der jodhaltige Duft des Ozeans, der Gestank des verrottenden Tangs, der für alle Fischerhäfen so typisch war, der Geruch des Steines und der Tiere; die goldenen, aber eiskalten Sonnenstrahlen, die den Hafen in einen bernsteinfarbenen Würgegriff zu nehmen versuchten; der Wind, der durch ihre Haare wehte und sie von diesem Ort wegbringen und in eine bessere Welt fliegen wollte; die Kühle des Jahreszeitenwechsels auf ihrer Haut, selbst hier im Mittelmeer. Ein überweltlicher Moment, der in ihrer ars memoriae ebenso unsterblich wie vergänglich im Lauf ihres Daseins wäre.
    Soldaten rannten klappernd in das Hafenviertel hinab, zu schnell für die Menge, und ihre aufgepflanzten Bajonette hüpften schwankend hin und her. Das Glockengeläut enthielt eine bedrohliche Komponente, als die Motoren des Luftschiffs auf dem Weg zu ihnen in Volllast aufheulten. Die Five Lucky Winds glitt an eine Anlegestelle, die Männer auf dem Vorderdeck nahmen Habtachtstellung ein, und das Weltbanner flatterte im Wind.
    Zwei Männer näherten sich ihnen vorsichtig und

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