Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
der Mönch direkt dahinter.
Im Korridor vor dem Raum lagen überall Leichen. Salzwasserspuren befleckten Boden und Wände. Boas lag glänzend zu ihrer Linken. Der Rest der Männer schienen Briten zu sein.
»Seid ihr beide hier allein?«, rief Childress und folgte ihnen.
Paolina warf sich neben Boas auf die Knie und sah zur Bibliothekarin hoch. »Nein. Ich bin hier mit Mr Kitchens und Gashansunu, die mir geholfen hat, den Rückweg aus der Südlichen Hemisphäre zu finden. Und mit all diesen Matrosen. Aber er liegt im Sterben.«
Sie versuchte, Boas’ Kopf zu heben, aber er bestand nur noch aus reglosem Metall. Der Mönch beugte sich vor und drehte den schweren Messingkörper um. Er krachte auf den Rücken. Seine Augen öffneten sich flatternd. Die Iriden bewegten sich, während etwas in ihm knisterte, als ob er zu sprechen versuchte. Kugeln hatten sein Gesicht zerschmettert. Das galt auch für den Brustkorb.
Eine Hand zuckte. Die drei Frauen starrten ihn entsetzt an und schwiegen, als sich seine Finger über den Unterleib schoben und auf einen Punkt drückten. Eine kleine Klappe öffnete sich.
Boas’ Augen flatterten. »Nimm es«, flüsterte er, und seine Stimme glich dem Ächzen überbelasteten Metalls.
»Nein«, sagte Paolina und schloss die Klappe. Sie hatte kein Interesse an dem , was er in sich trug. »Wir bringen dich in Sicherheit.«
Lautes Krachen war von draußen zu hören und ließ Staub von der Decke rieseln.
Sicherheit scheint keine Option mehr zu sein , dachte Childress.
»Ich werde dir helfen«, sagte der Mönch. »Es gibt nur einen Ort, an dem ihr sicher sein könnt, fremdes Mädchen.«
Paolina sah die Frau verzweifelt an. »Wo? Was? Wie?«
Der Mönch sprach eindringlich und schnell auf sie ein. »Der Jade-Abt wird euch beraten und euch schützen. Er beobachtet die Welt und dient ihr als Berater, wie er es auch schon für den Jungen Hethor war. Sein Tempel ist voller Automaten und Maschinen; er kann deinen Metallmann reparieren. Wenn seine Seele der Ruhe bedarf, beschäftigt er seine Hände mit dieser Arbeit. Ihr werdet dort nicht mehr verfolgt. Seine Verteidigung auf der Spitze der Mauer ist undurchdringlich.«
»Warte«, wollte Childress schon widersprechen, unterbrach sich aber. Sie war sich nicht sicher, ob sie jetzt das Wort ergreifen sollte – die Entscheidungen, die getroffen wurden, waren nicht ihre, und sie lagen auch nicht in ihrer Macht. Was den Jade-Abt anging, so hatte sein Name sie in Valetta beschützt. Vielleicht konnte er diese Leute ebenso beschützen.
Nach einem kurzen Blick zu Childress wandte sich Paolina wieder dem Mönch zu. »Wo gehen wir jetzt hin? Wie kann ich sicher sein, dass ich dir trauen kann?«
»Das kannst du nicht. Du hast keinen Grund, mir zu trauen.« Der Mönch zuckte mit den Achseln, und für einen Augenblick war der stets vorhandene ironische Unterton nicht mehr da. »Alles, was du nun hast, ist Hoffnung.«
»Würdest du mit mir kommen?« Childress brauchte einen Moment, bevor sie merkte, dass das Mädchen sie meinte.
»Nein«, sagte die Bibliothekarin sanft, denn sie verspürte ein neues, überwältigendes Gefühl der Gewissheit. »Ich muss hierbleiben und mit Kapitän Leung und dem Bootsmann sterben.«
Paolina widersprach ihr: »Niemand muss sterben.«
»Das ist bereits geschehen.« Childress schüttelte den Kopf. »Welchen Auftrag deine Freunde auch zu erledigen haben, es hat den Zorn dieses Orts erregt. In dem anderen Raum liegt ein toter Diener und Matrosen im Flur. Dein Boas …«
»Wenn ich gehe, dann werdet ihr sterben.«
»Wir werden getötet, ob du nun gehst oder nicht. Die Armee, die diesen Ort verteidigt, kann uns nicht erlauben, diesen Tag zu überleben. Wir haben ein Heiligtum angegriffen.«
»Wir sind in Blenheim Palace«, teilte ihnen Paolina mit. »In der Mitte Englands. Mr. Kitchens ist hierhergekommen, um der Queen beim Sterben zu helfen.« Sie wandte sich an den Mönch. »Zeig mir, wo du hingehen würdest. Ich werde dich und Boas schicken, damit der Abt sich um ihn kümmern kann. Ich komme euch nach, wenn ich kann.«
»Das kann ich nicht tun«, sagte der Mönch mit einer sehr unglücklichen Stimme. »Ich muss mit dir zurückkehren.«
»Ich werde niemals mit dir kommen, wenn du das jetzt nicht für mich tust. Er ist mir wichtiger als mein eigenes Leben.«
»Woher weißt du, wo du mich hinschicken musst?«
»Kannst du es mir irgendwie erklären?« Paolina klang verzweifelt.
»Ich kann dir meinen Verstand öffnen, wie
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