Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
»Wie läuft der Kampf gegen die Chinesen?«
»Ha.« Der Bootsmann sah Boas wütend von der Seite an. »Ich fraternisiere wohl mit dem Feind, wenn ich Ihnen davon auch nur das Geringste erzähle.«
»Sehe ich wie ein Chinese aus?«
»Nein, aber Sie waren schon mal bei denen.«
»Ich war ihr Gefangener«, ermahnte ihn Boas.
»Klar. Der Kerl, der den Vorstag eigenhändig zereißen kann.« McCurdy beugte sich zu ihm hinüber und schlug Boas kurz über dem Ellbogen auf den Arm. Ein dumpfes, hohles Geräusch ertönte.
Respektlosigkeit .
»Ich wüsste es zu schätzen, wenn Sie das nicht tun würden«, sagte der Messing leise.
Die Menschen berühren sich die ganze Zeit gegenseitig, sagte die menschliche Stimme in seinem Kopf, diese Mischung aus Paolina und al-Wazir. So erinnern sie sich daran, dass sie Menschen sind. Doch der Schaden war angerichtet; der Bootsmann hatte sich abgewandt und starrte mit abweisendem Blick vor sich hin.
»Brennende Schiffe«, sagte McCurdy kurz danach zu Boas’ Überraschung. »Die Schlitzaugen haben Kismaayo bombardiert, aber weder sie noch wir hatten genügend Luftschiffe vor Ort, um lange Krieg zu spielen. Nicht, solange nicht jemand mehr Schiffe und noch viel mehr Männer schickt.«
Oder bis eine Armee von der Mauer heranmarschiert, die euch beide vernichtet. Boas fühlte sich erleichtert, denn das war ein Ophir-Gedanke, etwas, das seiner eigenen Vergangenheit und seinem Volk entstammte. Nun, ehrlich gesagt war es das, was er noch von ihnen erkennen konnte; zumindest handelte es sich nicht um eine der neuen Stimmen, die er auch weiterhin hörte.
Je mehr Zeit verging, umso mehr lernte er die Komplexität des menschlichen Geists zu schätzen. Dieses Affenfleisch war darauf angelegt, auf unvollkommene Weise zu denken, nicht wie die Kristallfelder und siegelbasierte Perfektion eines Messinggehirns.
Dennoch fühlte sich sein Unterleib seltsam warm an.
»Ich bin mir sicher, dass sich die Dinge Ihrer Hoffnung entsprechend entwickeln«, sagte er zu McCurdy. »Dr. Ottweill ist dazu bestimmt, große Geheimnisse zu entdecken.«
»Ottweill?«, schnaubte der Bootsmann. »Der ist so tief in seinen Kaninchenbau hineingekrochen, dass niemand weiß, ob er jemals wieder rauskommen wird.«
»Sind sie tatsächlich verloren?« Boas wusste nicht, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war.
»Warum würde ein Herr Messing wie Sie sich darüber Gedanken machen, ob der Leutnant einen Kurs nach Ayacalong einschlagen lässt und nicht zum Mauerlager?«
Ihr Gespräch verstummte. Das kleine Luftschiff kämpfte sich gegen den Wind in Richtung Westen, unbeholfen und schicksalsschwanger.
Als sich die Dämmerung herabsenkte, setzte sich Boas an die Reling, um seine Ruhephase zu beginnen. McCurdy hockte sich wenige Minuten später neben ihn.
»Herr Messing«, flüsterte der Bootsmann.
Boas blinzelte, um seinen Kopf von verschwommenen Bildern Paolinas in einem fernen Dschungel freizubekommen. »Ja?«
»Ostrander, der ist gar nicht so verkehrt. Der Seekadett ist auch in Ordnung, aber ein richtiger Grünschnabel, dem man noch die Windeln wechseln muss. Unser Leutnant war Nachschuboffizier im Depot in Mogadischu, vor dem chinesischen Angriff. Seine Frau und sein kleiner Junge sind in den Flammen umgekommen, und der Oberst hat ihm die Erinyes gegeben, weil sonst niemand mehr da war, um den Befehl zu übernehmen. Aber ich glaube …«
Es entstand eine erwartungsvolle Stille, und Boas schwieg. Es lag Verrat in der Luft. Im Bootsmann brodelte das Verlangen, ihm etwas anzuvertrauen, das ihm Angst bereitete.
Schließlich führte McCurdy seinen Gedanken zu Ende. »Ich glaube, er schläft nicht, denn vor seinen Augen sieht er immer nur Flammen. Das würde jeden Mann in den Wahnsinn treiben, und zwar mit Recht.«
»Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?«, fragte Boas.
»Nichts.« Zum ersten Mal verstand Boas, warum McCurdys Stimme den ganzen Tag so freudlos geklungen hatte. »Sie sind der Feind. Es geht mir darum, was Sie nicht tun sollen: Sie dürfen mir diesen armen Kerl nicht kaputtmachen.«
Natürlich, der Bootsmann hatte Sorge um sein Schiff. Boas versuchte, ihn zu beruhigen: »Es ist meine Absicht, die Welt besser werden zu lassen, nicht schlechter. Ich sehe keine Schwierigkeiten darin, diese Philosophie auch für Leutnant Ostrander gelten zu lassen.«
Der Bootsmann berührte Boas’ Schulter leicht mit den Fingerspitzen. Affenberührung , dachte Boas – die Stimme seiner eigenen Seele, aber
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