Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
tief in sich spürte er die Zustimmung der anderen. »Ja«, sagte McCurdy, »und wenn Sie ein Engländer wären, dann würde ich Ihnen vielleicht sogar trauen.«
»Ich werde mich bemühen, Sie nicht zu enttäuschen.«
Kitchens
Das Luftschiff LIKM Notus flog von Dover aus in Richtung Südosten. Sie überquerten zügig den Ärmelkanal und erreichten die fruchtbaren Felder der Normandie. Kitchens begutachtete ihr Vorankommen vom Steuerstand auf dem Poopdeck aus, einen Klapptisch mit Karte vor sich. Er hatte sich ein Stück Kanzleipapier abgeschnitten, um darauf regelmäßig verschlüsselte Notizen in Form sauber und exakt aufgereihter Punkte zu machen. Tatsächlich hatten die Punkte überhaupt nichts zu bedeuten.
Kapitän Sayeed kehrte dem Steuer schließlich den Rücken und näherte sich Kitchens. Der Sonderbeauftragte bemühte sich sichtlich, seine Notizen vor dem prüfenden Blick des Offiziers zu verbergen.
»Würden Sie mir meine Befehle hier auf dem offenen Deck mitteilen«, fragte Sayeed, »oder sollten wir uns unter Deck begeben?«
Kitchens wusste genau, dass er diesem Mann immer einen Schritt voraus sein musste. Es galt also, seinen Vorsprung zu halten, wenn nicht sogar auszubauen. »Unser Kurs wurde Ihnen von der Admiralität übergeben, und diesem Kurs werden wir folgen. Unser Ziel ist allgemein bekannt. Meine Rolle ist lediglich die eines Beobachters.«
»Und die eines Berichterstatters.« Sayeed sah ihn mit finsterem Blick an. »Ich weiß, was sich unter Ihren Papieren befindet. Admiral Towle hat mich in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass Ihr Urteil über die Zukunft meines Schiffs und meiner Männer entscheidet.«
»Es ist meine Ansicht«, sagte Kitchens und trug nun die Worte vor, die er sorgfältig formuliert hatte, »dass man weder Ihr Schiff noch Ihre Besatzung angemessen behandelt hat, und Sie schon gar nicht. Die Geheimgesellschaften haben eine Panik ausgelöst. Die Notus wurde zum Opfer dieser Angst.«
»Sie haben sicherlich mein Dossier gelesen.« Der Kapitän sah ihn ungerührt an. »Sie hätten Sie nicht auf dieses Deck beordert, ohne von meiner Verbindung zum Schweigsamen Orden zu wissen.«
Wenn Sayeed das nicht störte, dann würde es ihn auch nicht stören. Allerdings erörterte man derartige Dinge in der Regel nicht in der Öffentlichkeit. »Ja«, sagte er daher einfach. »Das ist für mich aber nicht von Interesse. Meine Aufgabe ist es, Dr. Ottweill und sein Tunnelprojekt zu unterstützen. Sie und Ihr Schiff können ihren guten Ruf wiederherstellen, wenn Sie sich bei dieser Mission mit vorbildlichem Verhalten auszeichnen.«
»Hm.« Dieses Angebot ließ Sayeed offensichtlich unbeeindruckt. »Mr Kitchens, sind Sie zufällig mit meiner Lebensgeschichte vertraut?«
»Geboren Beirut, 1869«, antwortete der dunkel gekleidete Sonderbeauftragte sofort. »Damals noch Osmanisches Reich. Arabische Eltern, als kleiner Junge nach der Schlacht von Akkon nach England verbracht und von Pflegeeltern großgezogen worden.«
»Meine Haut hat eine unselige Farbe, und mein Name verdammt mich zu einem Dasein als Kanake.« Verbitterung sprach aus den Worten des Kapitäns. »Ich habe bis zum heutigen Tag keinen guten Ruf genossen, Mr Bleichgesicht mit dem sehr englischen Namen. Das werde ich auch in Zukunft nicht.«
»Wenn Ihnen Ihr Leben lang mit Misstrauen begegnet wurde, warum haben Sie sich dann auf den Schweigsamen Orden eingelassen?«, frage Kitchens, der seine präparierte Ansprache für die Gelegenheit aufgab, die ihm Sayeeds Blöße bot.
»Ich nehme an, aus denselben Gründen, die Sie diesen dunklen Anzug und diesen kleinen runden Hut tragen lassen, einschließlich der Dokumente unter ihrem Arm.« Sayeed schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln. »Weil ich glaube, dass die Welt für alle Menschen ein besserer Ort sein könnte. Dies schien mir der klügste Weg.«
»Glauben Sie das immer noch?«
Der Kapitän hatte darauf keine Antwort, setzte aber eine eisige Miene auf und wandte sich ab.
Kitchens stand bei Simpkins, dem Navigator, als die Karten ausgelegt wurden. »Wenn wir kein Pech mit dem Wetter haben, sollten wir nach zwölf Tagen und Nächten bei Dreiviertel Kraft voraus unseren Zielhafen erreichen«, sagte der Offizier.
»Auch wenn wir in Marseille oder Algier Treibstoff und Ballast aufnehmen?«
Simpkins erwiderte seinen Blick. Nur eines der grünen Augen des Navigators war zu sehen – das andere war unter der verkrusteten und geschwollenen Haut eines Blutergusses
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