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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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al-Wazir von der Royal Navy aus dem Westen gekommen. Er wurde beim Angriff der Chinesen auf Ihre Stadt gefangen genommen.«
    »Ist nicht meine Stadt«, knurrte McCurdy.
    »Wie dem auch sei. Es starben in jedem Fall zu viele bei diesem Überfall.«
    Leutnant Ostrander kam mit staksenden Schritten auf sie zu und wirkte mit seinem vorgestreckten Kopf wie ein Schreitvogel. »Wenn ich Sie zu Ottweill bringe, werden Sie dann anschließend mit mir nach Mogadischu zurückkehren?«
    Er hatte den Köder geschluckt. Al-Wazir hätte in einer ähnlichen Situation den Messing einfach über Bord geworfen oder ihn in Eisen geschlagen und mit einer Ankerkette auf dem offenen Deck festgesetzt.
    »Lassen Sie uns nach Westen fahren und herausfinden, welche Befehle uns erwarten«, sagte Boas. Das war keine Antwort auf die Frage, und nach McCurdys Gesichtsausdruck zu schließen, wusste der Bootsmann das auch.
    »Nun gut«, sagte Leutnant Ostrander. »Setzen Sie Kurs Westen«, rief er. »Ziel ist Ayacalong, der Hafen an unserem westafrikanischen Standort.«
    Das LIKM Erinyes war schneller als alles, was Boas bisher kennengelernt hatte. Er berechnete ihr Vorankommen, indem er das Vorbeiziehen gewisser Merkmale auf der Mauer nachmaß. Am Nachmittag war Ostrander unter Deck gegangen, um das zu tun, was Kommandanten allein in ihrer Kajüte taten. Der Seekadett zur See war der Wachhabende.
    Bootsmann McCurdy schien damit beauftragt worden zu sein, auf den Messing aufzupassen. Wo eben noch Misstrauen geherrscht hatte, hatte sich nun Resignation breitgemacht. Boas vermisste die unbeschwerte Kameradschaft, die ihn und al-Wazir verbunden hatte.
    »Sie stellen sich doch hoffentlich nicht vor, wie ich die gesamte Besatzung in ihren Kojen umbringe?«, fragte er McCurdy, als die beiden an der Reling standen und die schier grenzenlose Mauer hinaufblickten.
    Der Bootsmann lachte schnaubend. »Sie hatten recht, Herr Messing. Ich war damals als Kurier in diesem Lager an der Mauer; da hatte Oberleutnant Mafwyn noch die Befehlsgewalt an Bord der Erinyes. Wir hatten von Ihrem Volk gehört. Es hieß, dass Ihre Leute unaufhaltsame Naturgewalten seien und so weiter. Messing wie Sie können eine Kugel abkriegen, sie wieder ausspucken und das Geschoss im selben Atemzug einem Kerl in den Arsch rammen. Wenn es Ihnen in den Kopf käme, die Gute vom Himmel zu holen …«, sagte er und tätschelte die Reling des Schiffes mit seiner freien Hand, »dann könnten wir nichts dagegen machen, außer es gelänge uns, Sie von Bord zu schmeißen, bevor Sie uns allen die Arme ausgerissen haben.«
    »Warum haben Sie mich dann an Bord genommen?«
    Er erteilte einem Matrosen mit einer knappen Kopfbewegung einen Befehl. »Der Leutnant hatte seine Befehle. Wir sollten nach einem Messing suchen, der die Chinesen verlassen hat, mit denen wir an der abessinischen Küste kämpften. Niemand war sicher, was er gesehen hatte, aber Ihre Fußabdrücke waren im Lager am Strand zu erkennen, und wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, dann wurden auch ein paar Schlitzaugen gefangen genommen und haben gesungen.«
    Boas fragte sich, wer von den Männern, die er gekannt hatte, überlebt haben mochte. »Der Befehl lautete, mich gefangen zu nehmen?«
    Der Bootsmann zuckte mit den Achseln. »Bin ich mir nicht sicher. Unser Herr Leutnant hier ist der geschwätzigste Kerl, unter dem ich je gedient habe. Ich glaube, der würde sich nicht mal selbst den Arsch abwischen, wenn er nicht zuvor jemanden dazu befragen könnte. Er wollte reden, Sie wollten reden. Ich hätte Sie einfach niedergeknallt, Arme und Beine abgeschnitten und Sie in fünf verschiedenen Fässern nach Mogadischu gebracht.«
    »Das hätte durchaus abschreckend gewirkt«, gab Boas zu. »Ihre Ehrlichkeit ist erfrischend.«
    »Ist ja nicht meine Entscheidung. Da kommt dieser Kerl an Bord, noch grün hinter den Ohren, und nimmt mich erst mal zur Seite, um mir die Befehlskette zu erklären. Mir, der ich seit meiner Kindheit im Dienste Ihrer Kaiserlichen Majestät stehe, seit zweiunddreißig Jahren.«
    Dieser Mann erweist seinen Vorgesetzten nicht den nötigen Respekt. Boas bemerkte, wie sich das Sechste Siegel in seinem Unterleib regte, und wurde leicht panisch.
    »Ich bin mit der momentanen Situation durchaus zufrieden«, sagte er zu McCurdy und versuchte, das Thema zu wechseln, bevor die Stimme des Siegels wieder lauter werden konnte. Er wollte nicht wieder nach einem Tag aufwachen und feststellen, dass er die Zeit gar nicht bemerkt hatte.

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