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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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aufgeschlossen scheinendes, rundes Gesicht und machte den Eindruck, so harmlos zu sein wie ein aufrichtiger Imker. Er war recht klein geraten, etwas dicklich und schien zumindest hier in Chersonesus Aurea schlicht gearbeitete, traditionelle Gewänder zu bevorzugen, die selbst in einem ländlichen Teehaus nicht fehl am Platz gewesen wären.
    Er war außerdem ein Mann, der nach Lust und Laune die Macht über Leben und Tod ausübte, und war hier, an der entscheidenden Basis der Goldenen Brücke, der persönliche Stellvertreter des Sohns des Himmels und dafür zuständig, den Brückenschlag in Chinas Zukunft zu wagen. Der müde Gesichtsausdruck des Kô ließ darauf schließen, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Obwohl es weit über das übliche Protokoll hinausging, fiel Wang auf die Knie und machte einen Kotau. Seine Stirn schlug dreimal auf den rissigen Marmorboden, während sein beachtlicher Bauchumfang gegen den kalten Stein gedrückt wurde. Beim dritten Pochen schloss er still die Augen und betete unbemerkt um Gnade, um dann schielend auf die feinen Muster im Stein unter seiner Nase zu blicken.
    »Sei kein Narr«, sagte der Kô. »Das weißt du doch besser.«
    Der Katalogisierer kam mühsam wieder auf die Beine. »Herr«, sagte er, hielt dann aber inne.
    »Nur wenige Dinge vermögen meine Säfte derart negativ zu beeinflussen, wie mich mit Narren auseinandersetzen zu müssen«, fuhr der Kô fort. »Vielleicht möchtest du ja raten, was mein Qi heute stört?«
    Wang hätte sich lieber seine Daumen abgehackt. Dennoch musste eine solche Frage beantwortet werden. »Dies übersteigt meine geringe Vorstellungskraft, Herr.«
    »Wie schade.« Der Kô drehte eine Porzellantasse zwischen seinen Fingern. Von oben fiel Licht in den Raum hinab und ließ das feine Porzellan sanft schillern. Pinselstriche aus blauer Farbe lugten unter seinem Griff hervor, zierlich und zerbrechlich. Die Tasse schien Jahrhunderte alt zu sein. »Da es um dein Verhalten der letzten Zeit geht, hätte ich eigentlich erwartet, dass du mich, deinen Herrn und Meister, darüber in Kenntnis setzen möchtest, warum der Drachenthron ein solches Interesse an dir entwickelt hat.« Er unterbrach die folgende unerträgliche Stille mit den Worten: »Namentlich.«
    »Mein Herr«, brachte Wang mühsam hervor, denn seine Zunge wollte ihm im Angesicht der drohenden Katastrophe nicht mehr recht gehorchen.
    »Exakt. Du wirst in Phuket verlangt, und das so schnell wie möglich.« Der Kô beugte sich vor. »Nachdem die Nanyang-Flotte durch diese streunenden Köter so erheblich dezimiert wurde – nicht zuletzt dank deiner Hilfe –, bedeutet das, dass dich mein eigenes Schiff mit der gebotenen Geschwindigkeit von dieser Insel dorthin bringen wird.«
    Phuket! Die Inselfestungen des Schweigsamen Ordens standen in Hafennähe vor der Küste und herrschten über die Geheimnisse Asiens, wie es die Palasteunuchen mit ihren Giften und hinter vorgehaltener Hand geflüsterten Informationen taten.
    »…« Wang fehlten die Worte.
    »Ich bin davon ausgegangen, dass du mir das erklären könntest, mein Freund.« Der Kô drückte die alte Tasse so fest, dass sie zersplitterte. Scherben mit scharlachroten Tropfen fielen wirbelnd zu Boden, vermischt mit dampfendem Tee. »So sei es denn. Ich werde mich nicht von einem niederen Bediensteten irritieren lassen, der mich über seine Verbindungen mit der Verbotenen Stadt im Dunkeln gelassen hat.«
    Wang fiel wieder auf die Knie und kroch rückwärts. Porzellansplitter stachen in seine Hände. Der Atem des Kô war die wogende Wut eines Drachen, der sich aus seinem Flussbett erhob.
    Kein weiteres Wort wurde verloren. Kein weiteres Blut wurde vergossen. Katalogisierer Wang floh und fragte sich, was zurückbleiben und wer sich um die Bedürfnisse der Bibliothek und der Goldenen Brücke in seiner Abwesenheit kümmern würde. Und ob er an Bord von Kôs persönlicher Jacht länger als eine Stunde überleben würde.
    Kitchens
    Er wurde zweimal angehalten, bevor er die großen Tore von Blenheim Palace erreichte. Vor den hässlichen hellen Steinverblendungen wurde er von einem Mann in einem dunklen Anzug verhört, den man für einen Beamten hätte halten können. Zwei kräftige Kerle, deren Uniformen keine Abzeichen aufwiesen, standen mit Pistolen im Anschlag neben ihnen. Sie zielten zwar nicht direkt auf Kitchens, aber die Mündungen wiesen auch nicht eindeutig in eine andere Richtung.
    Während sein Regenschirm sorgfältig auseinandergenommen wurde,

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