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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Eure Luftschiffe sind –« Paolina lief hochrot an. Ihr wurde mit einem Mal klar, dass es nie gestimmt hatte. Es gab nicht auf jedem Schiff einen Newton. Wie sollte das auch möglich sein?
    »Unsere Luftschiffe werden von Männern bemannt«, sagte er, aber nicht unfreundlich. »Die Sorte, die in den unpassendsten Momenten einen fahren lassen und ihre Hosen ein Bein nach dem anderen anziehen.«
    »Ich hatte etwas anderes erwartet«, murmelte sie.
    »Das haben wir auch, jeder auf seine Weise.« Er fügte hinzu: »Das Luftschiff brannte noch, als es am Horizont verschwand.«
    Paolina zuckte zusammen. »Ich habe sie getötet.«
    »Das tun Schiffe nun einmal einander an.« Seine Stimme war ein sanfter Kontrapunkt zu den harten Worten, aber er wirkte dennoch auf merkwürdige Art kühl. »Töte oder werde getötet. Die Männer, die auf ihnen fahren, sind nur die Flöhe auf einem sterbenden Hund. Was mich viel mehr interessiert als die Tatsache, dass sie gestorben sind, ist der eigentliche Vorgang ihres Todes.«
    Sie starrte schweigend achtern und fragte sich, ob sich irgendwo südlich der Notus eine Rauchfahne abzeichnete, die sie sehen könnte.
    »Manchmal stürzt ein Luftschiff ab, weil ein Phosphorpfeil den Tragkörper erwischt. Manchmal reichen die üblichen Geschosse aus, um seine Spiere und Takelage solange unter Beschuss zu nehmen, bis es auseinanderbricht. Manchmal reichen Handfeuerwaffen, um seine Decks vom Himmel zu fegen. Ich glaube, Sie erkennen hier ein Muster, nicht wahr?«
    »Ja«, murmelte sie.
    »Gut.« Sayeed arbeitete sich weiter vor, immer noch höflich, aber schonungslos. »Dann werden Sie sicher verstehen, warum ein vorsichtiger und besonnener Luftschiffkapitän sich die Frage stellt – und dabei natürlich sein großes Glück in keinem Augenblick vergisst und dafür dankbar ist –, wie es sein kann, dass dieses andere Luftschiff explodierte und brennend abstürzte. Vor allem kurz nachdem sein eigener Backbordmotor starke Leistungsschwankungen erlebt hatte.«
    »Es wird Ihrem Schiff nichts zustoßen.«
    Er beugte sich vor. »Was wird meinem Schiff nicht zustoßen, Miss Barthes?«
    »Ich.« Sie war überrascht, dass sie zitterte und Tränen verdrängte, die sie gerne geweint hätte.
    »Vielleicht erklären Sie mir das. Und das am liebsten ausführlich.«
    Paolina sah sich um. Das Deck war völlig offen, der Steuermann und der Kapitän standen direkt neben ihr, und mehrere Matrosen gingen nur wenige Schritte entfernt ihren Aufgaben nach. »Hier?«
    »Es ist ein kleines Schiff, Miss Barthes. Wir könnten unter Deck gehen, aber man kann uns durch die Wände hören.«
    Also erzählte sie ihm alles über die Taschenuhr, wie sie sie damals zusammengesetzt hatte, und wie sie den Schimmer auf ihren Reisen einzusetzen gelernt hatte – und wie sie sich auf die Suche nach den englischen Zauberern gemacht hatte, um bei ihnen in die Lehre zu gehen.
    Als Paolina fertig war, nickte Sayeed ernst. »Darf ich es sehen?«
    Sie erstarrte und wollte gerade darauf antworten, als Sayeed eine Hand hob. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich meinte das nicht als Euphemismus, um das Ding in die Hand nehmen zu dürfen. Ich würde dieses Gerät einfach nur gerne sehen.«
    Paolina zog den Lederbeutel aus der Tasche in ihrem Kleid hervor und holte die Uhr hervor. »Hier, Sir.« Sie hielt sie ihm hin, damit er sie sich genau ansehen konnte, hielt sie aber sicher in der Hand.
    Sayeed beugte sich vor, hielt die Hände aber hinter dem Rücken verschränkt. »Sie haben ein Ding erschaffen, das so genau Maß nimmt, dass seine Messergebnisse nicht mehr von dem zu unterscheiden sind, was es misst.«
    Sie brauchte einen Augenblick, um zu enträtseln, was Sayeed zu ihr gesagt hatte. »Ja, ich glaube, das stimmt.«
    »Hatten Sie schon immer ein Interesse an Messgeräten?«
    Sie dachte an Davies’ ursprüngliche Taschenuhr zurück, das Schiffschronometer, von dem sie damals geglaubt hatte, dass sie es kopiere. »Ja, immer, obwohl ich das Ausmaß ihrer Zauberkunst nicht kannte, bis ich auf einen Engländer traf.«
    »Das ist kein englisches Monopol«, meinte Sayeed trocken. »Es ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass weder Sie noch ich Engländer sind.«
    »Und dennoch befinden wir uns auf einem englischen Schiff und sprechen die Sprache der Königin.«
    »Man lebt in der Welt, in der man sich befindet.« Er schwieg einen Augenblick und schien nachzudenken. »Es gibt große und größere Uhren, wissen Sie. Das sind Instrumente, die mehr als nur

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