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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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durch die Luft. Aus den Kanonen auf der Palisade wurden Geschosse abgefeuert, bis die Kanoniere den Tod fanden. Schüsse wurden vom Boden abgegeben, aber während al-Wazir sich noch bemühte, an den Trümmern vorbei zu gelangen, die das Tor blockierten, wusste er schon, dass kein konzentriertes Feuer eingesetzt wurde.
    Boas schob sich an ihm vorbei, um die Holzbalken zur Seite zu stemmen. Das Tor war noch nicht blockiert gewesen, als sie das Lager verlassen hatten.
    »Ich bin zu langsam!«, brüllte al-Wazir.
    Als sie es auf die andere Seite geschafft hatten, hatte sich die geflügelte Flut schon wieder entfernt. Der Angriff wurde wie damals bei der Bassett durchgeführt – eine Attacke, die einem Blitzeinschlag in ein Kirchendach glich und die schon wieder vorüber war, bevor man den Donner hören konnte.
    Viele der Zelte waren niedergerissen worden. Arbeiter und Soldaten lagen auf dem Boden, denen Arme, Beine und Köpfe fehlten; ihre Eingeweide waren herausgerissen worden. Ein kurzer Blick sagte ihm, dass fünfzig oder sechzig tot waren. Hunderte schrien oder liefen panisch umher.
    In der Mauer fraß sich der Dampfbohrer weiter durch das Gestein.
    »Achtung, alle Gruppen«, schrie al-Wazir, »formiert euch, nach den Reihen eurer Divisionen.«
    Die Panik übertönte ihn.
    Boas sprang auf einen Kistenstapel und brüllte in einer Lautstärke, die al-Wazirs Ohren fast bluten ließ: »Formiert euch, sofort!«
    Das Chaos verwandelte sich in ein Muster, aber es war schon zu spät. Der Himmel öffnete erneut seine geflügelten Schleusen, und die Wilden stürzten sich nahezu lautlos und mit brutalem Grinsen auf ihre Opfer und schwangen ihre bereits blutverschmierten Schwerter.
    Al-Wazir rannte zu seinen Männern, die sich wieder auseinandertreiben ließen. »Feuer konzentrieren! Feuer konzentrieren! Formiert euch und scheißt auf das Geheule!«
    Dann war er wieder von Flügeln und Schwertern und den Schreien der Sterbenden umgeben. Er schnappte sich einen fallen gelassenen Karabiner und schoss, bis das Magazin leer war. Es war leichter, sich von einer fallen gelassenen Waffe zur nächsten zu hangeln, als nachzuladen, obwohl die meisten Gewehre von dem Blut glitschig geworden waren.
    Die geflügelten Wilden flogen diesmal sehr niedrig und schienen es nicht so sehr darauf anzulegen, die panischen Verteidiger zu töten, sondern viel mehr die Zelte niederzureißen und Feuer zu legen.
    Die Angreifer zerstörten das Lager. Eintausend Mann ohne Hilfe würden in diesem Dschungel keine Woche überleben.
    Aber es gab niemanden mehr, den er um sich scharen konnte, niemanden, der noch stehen und kämpfen konnte. Al-Wazir hatte in dem Durcheinander sogar Boas aus den Augen verloren. Also schritt der Deckoffizier durch den Rauch und die Trümmer, feuerte die Waffen ab, bis er keine mehr fand, und schlug mit dem Karabiner in seinen Händen nach den geflügelten Wilden, bis dieser zersplitterte und er allein unter einem stillen Himmel stand.
    Er brauchte einige Minuten, um zu bemerken, dass das Bohrgeräusch aufgehört hatte. Der Dampfbohrer Nummer eins, der sich tief in die Mauer gefressen hatte, schwieg. Die Nummer zwei rauchte, war beschädigt, aber nicht zerstört.
    Und er war allein. Völlig allein, abgesehen von den Leichen. Hatten die geflügelten Wilden alle getötet?
    Childress
    Der Koch gab seine Bemühungen, in die Zukunft zu sehen, schließlich auf und sah sie mit einem solchen Desinteresse an, dass es sie fast verstörte. Childress versuchte, ihn anzulächeln, aber welchen onkelhaften Humor er normalerweise auch besitzen mochte, der hatte sich wie ein Gänseblümchen im Winter in Luft aufgelöst.
    Offensichtlich glaubte er an Geister.
    In der Five Lucky Winds war es still wie in einem Grab. Selbst das übliche Geräusch von Schritten und das Knarren des Rumpfs waren nicht mehr zu hören. Childress glaubte, wenn sie sich wirklich anstrengte, das Wasser in Sendais Hafen gegen die Wasserlinie des Boots schwappen zu hören, aber selbst das entsprang vermutlich nur ihrer Fantasie. Was immer dieser sogenannte Spiritualpulmonologe, den Leung konsultierte, auch zu sagen hatte, es schien auf jeden Fall vollkommene Stille zu beinhalten.
    Als sie sah, wie sich Raureif auf dem Schott ihrer Kabinenluke bildete, begann Childress, sich Sorgen zu machen. Der Koch bemerkte ihre Blicke und drehte sich in die Richtung. Er grunzte und widmete sich wieder seinen Wahrsagungsversuchen.
    Childress legte sich in ihre Koje und betete, in stillem und

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