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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sagte er.
    Die dritte Nummer war die richtige. Ich konnte buchstäblich hören, wie eine Telefonistin am anderen Ende der Leitung den Hörer abnahm. »John Deere!«, sagte sie.
    »Bitte Mister Oscar Ogilvie, Ma’am«, sagte Dutch mit honigsüßer Stimme.
    »Einen Moment«, sagte die körperlose Dame. Dutch zwinkerte mir zu. Dann verkündete die Telefonistin: »Mr Ogilvie ist nicht in der Stadt, Sir. Er liefert Geräte in Tarzana aus. Er wird nächste Woche wieder an seinem Arbeitsplatz sein.«
    »Wo kann ich ihn in Tarzana erreichen?«, fragte Dutch.
    »Ich weiß nicht, ob ich befugt bin, Ihnen das zu sagen, Sir«, antwortete die Stimme.
    Mein Herz rutschte mir in die Hose. Tarzana klang, als wäre es in Afrika. Konnte ich mich so lange auf der Straße herumtreiben, bis ich ihn fand?
    Dutch ließ sich nicht so einfach abspeisen. Er stellte sich vor, komplett mit Vor- und Nachnamen.»Verzeihen Sie«, sagte er, »aber dürfte ich so frei sein und nach Ihrem Namen fragen, bitte, Ma’am?«
    »Milly«, kam die widerwillige Antwort. »So nennen mich jedenfalls alle.«
    »Nun ja, Milly, zufällig habe ich Mr Ogilvies Sohn hier bei mir. Oscar Ogilvie junior. Er ist soeben mit dem Zug aus Chicago angekommen. Er ist erst elf Jahre alt und wiegt schätzungsweise fünfundvierzig Pfund. Es ist Weihnachtszeit und dieser Junge braucht dringend seinen Vater. Können Sie uns behilflich sein? Wir würden es Ihnen nie vergessen.«
    Ich vermutete, dass Milly gegen Dutchs entwaffnende Überredungskunst machtlos war. Ich hatte recht.
    Wir blieben direkt vor der Telefonzelle stehen und warteten auf Millys Rückruf. Mehrere Leute kamen und wollten telefonieren. Mit seinem traurigsten Grinsen schüttelte Dutch den Kopf und sagte: »Medizinischer Notfall!«, und deutete dabei auf mich. Die Leute fragten nicht, um was für einen medizinischen Notfall es sich handelte, und gingen wieder, um ein anderes Telefon zu suchen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis Milly zurückrief.
    Dutch hob ab und hörte nur zu. Dann drehte er sich zu mir. »Milly hat deinen Vater in der Leitung, Oscar. Aus irgendeinem Grund denkt er, das Ganze ist ein Schwindel.«
    »Es ist kein Schwindel!«, schluchzte ich und die Tränen stürzten wieder aus meinen Augen.
    »Warten Sie einen Moment«, sagte Dutch und legte mir tröstend seine Hand auf die Schulter. »Okay! Dein Vater sagt, wenn wirklich du es bist, dann wirst du wissen, wo deine Mutter gestorben ist.«
    »In der Lucifer-Feuerwerkskörperfabrik. Es war ein verirrter Blitz, durch den es passiert ist«, sagte ich.
    Dutch wiederholte es ins Telefon. Innerhalb von wenigen Sekunden hatte er eine neue Botschaft. »Es scheint, als ob dein Dad schon in seinen Lieferwagen gesprungen ist und aufs Gaspedal tritt. Warte vor dem Bahnhof. Er muss von irgendeiner Zitronenplantage in Tarzana hierherkommen. Die meisten Straßen entlang der Küste bis zur Stadtgrenze sind Schotterstraßen.«
    Wir gingen zum Würstchenstand. »Drei Jobs in einer Woche. Dein Dad hat ganz schön Tempodrauf!«, sagte Dutch. »Scheint aber, als ob er seine Füße auf dem Boden hat.« Dutch brachte mir einen extralangen Hotdog und einen Schokoriegel. Wir besorgten uns auch eine Los Angeles Times . Sogar in Los Angeles nahm mein Gesicht die halbe Titelseite ein.
    WÜTENDER BANKER VERDOPPELT BELOHNUNG FÜR MASSAKER-INFO!
    NOCH IMMER KEINE SPUR VON DEM JUNGEN!
    »Wahnsinn!«, sagte Dutch. »Sieh dir das an! Auf dich warten zehntausend Dollar, Cowboy, wenn du dich erinnern kannst, wer die Tat begangen hat!«
    Diesmal umarmte ich Dutch aus Freude, nicht mit Tränen. »Wenn du in Schwierigkeiten gerätst«, sagte er, »ruf mich einfach an! Der alte Herr von meinem Mädchen besitzt in Pasadena ein Haus mit zwanzig Zimmern. Dort findest du mich!«
    Er schwenkte mit einer Hand seinen Koffer, mit der anderen winkte er. Mit dem federnden Gang eines Athleten durchschritt er einen hohen Torbogen. Ich winkte zurück, solange ich ihn sehen konnte. Er bahnte sich seinen Weg durch die Menge derMenschen, die zu den Zügen eilten, Kofferträger anhielten und nach ihren Lieben ausschauten. Ich folgte Dutch durch den Bahnhofsausgang und beobachtete, wie er sich auf dem mit gelben Ziegelsteinen gepflasterten Gehsteig immer weiter in die Welt entfernte. In der einen Minute hatte er den Fuß noch auf dem Gehsteig, in der nächsten war er spurlos verschwunden. Ich fühlte mich unsagbar allein.
    Ich setzte mich auf die Stufen vor dem Bahnhof und schaute mit Adleraugen nach meinem

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