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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Fahrer.
    »Nur über die Straße, bitte!«, sagte ich und warf meinen einzigen Dollarschein auf den Vordersitz. Der Fahrer zuckte die Schultern. Er rollte mit den Augen, wie um zu sagen: »Verrückt!«, drehte jedoch den Zündschlüssel und packte das Lenkrad, um auszuparken.
    Ich fiel in den Sitz zurück, im selben Moment drückte mich ein Windstoß mit der Gewalt eines Hurrikans gegen die Polsterung und Dunkelheit umfing mich. Gallertartig dicke Luft verstopfte meine Lungen. Wenn überhaupt ein Krümel Sauerstoff zu erhaschen war, dann war er so zäh wie Gummi und so unmöglich zu atmen wie Wasser.Der Taxifahrer legte den Gang ein und wendete. Als das Taxi einen Satz vorwärts machte, erhellte sich die Schwärze, die mich umgab, zu einem milchigen Licht. Ich schnappte nach Luft. Für einen Moment dröhnte und schepperte die ganze Welt, als würden tausend Murmeln auf ein Blechdach prasseln. Ich dachte, meine Trommelfelle würden platzen. Es war der gleiche Lärm, nur hundertmal lauter, wie der aus dem Telefon, als Dutch den Hörer fallen ließ.
    »Da sind wir, Kleiner!«, sagte der Taxifahrer und stoppte das Taxameter. »Macht fünfundzwanzig Cent!«, sagte er träge. Dann sah er mich plötzlich an und die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. »Raus aus meinem Wagen!«, sagte er und legte den Rückwärtsgang ein.
    Ich war schon draußen auf der sonnenbeschienenen Straße. Ich schlug aufs Heck des Lieferwagens, mit dem mein Dad gerade im Begriff war loszufahren. Aus irgendeinem Grund waren meine Schuhe offen und die Schnürsenkel gerissen. Tante Carmens sorgfältige Stiche, mit denen sie den Bund meiner Hose enger genäht hatte, waren aufgetrennt. Wie durch ein Wunder füllte ich die Hose aus. Eine Minutezuvor hing Cyril Pettishanks’ Hemd noch wie eine Pyjamajacke an mir. Jetzt spannte es sogar. Ich riss die Säume auf, mit denen Tante Carmen meine Hosenbeine umgenäht hatte, und krempelte die Hose runter. »Dad!«, rief ich mit vor Glückstränen erstickter Stimme.
    Dad hielt den Wagen an und stieg aus. »Wer in aller Welt sind Sie und was fällt Ihnen ein, so auf mein Auto zu hauen?«
    »Dad! Ich bin’s, Oscar!«
    Er erkannte mich nicht sofort. Plötzlich ging ein so breites Grinsen über sein Gesicht, dass ich dachte, seine Wangen würden bersten. »Oscar!«, rief er. »Bist du es?«
    »Ich bin es!«
    »Oscar! Du bist heil und gesund! Du bist nicht länger entführt! Oscar!« Dann packte er mich einfach und hielt mich. Er sah mich an, von oben bis unten, von unten bis oben, und Tränen liefen über sein Gesicht. Er sagte kein Wort, schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus und murmelte: »Gott möge mir verzeihen, mein Junge. Ich habe dich nicht erkannt. Es ist zehn Jahre her und natürlich bist du nun ein erwachsener Mann. Zehn Jahre, Oscar!Zehn lange Jahre!« Er sah zu mir hoch, nicht nach unten, wie er es immer getan hatte.
    »Zehn Jahre?«, fragte ich.
    »Fast auf den Tag genau!«, sagte mein Dad. »Du bist einen halben Meter gewachsen! Wo bist du gewesen? Was haben sie dir angetan? Steig ein und erzähle!«
    Verwirrt drückte ich mich auf den Beifahrersitz des Lieferwagens. Dad startete den Motor. Verstohlen sah er mich von der Seite an, als fürchtete er, ich könnte gleich wieder verschwinden wie eine Rauchwolke. Ich fühlte, wie mein Kopf auf meinen Schultern baumelte und auf meine Brust fiel.
    Es war Morgen, als ich die Augen öffnete. Die Luft, die durch das offene Fenster hereinwehte, war so süß wie nur irgendein Sommertag in Illinois. Die Welt roch nach Zitrusfrüchten. Vögel sangen in den Bäumen vor meinem Fenster. Dad saß am Fuß meines Bettes. Als ich meine Augen aufschlug, starrte er in sie hinein.
    »Bist du’s wirklich, Oscar?«, fragte Dad.
    »Natürlich bin ich’s! Was ist mit deinem Haar passiert, Dad? Warum trägst du diese Brille?«
    »Mein Haar? Das hab ich vor langer Zeit verloren. Seit acht Jahren trage ich jetzt eine Brille.«
    »Ich war nur drei Tage fort, Dad! Drei Tage!«
    »Oscar«, sagte Dad. Er runzelte die Stirn und reichte mir eine Tasse Kaffee. »Du bist vor zehn Jahren verschwunden, nach dem Banküberfall. Diese Männer wurden nie gefasst. Du wurdest für tot erklärt! Ich war so traurig, dass ich fast zur Marine gegangen und fortgesegelt wäre, aber sie wollten mich nicht haben.«
    Ich rümpfte die Nase über den Kaffee. »Ich darf keinen Kaffee trinken, Dad«, sagte ich. »Ich bin ja noch ein Kind.«
    Mein Vater gab sich Mühe, mich zu verstehen. Es war nicht

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