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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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fragte ich.
    »Oscar, wir müssen sehr vorsichtig sein. Die Armee beruft alle jungen Männer im Land ein. Erst letzte Woche haben die Rekrutierer auf der Tip-Top-Ranch nach Obstpflückern ausgeschaut. Der lange Arm von Onkel Sam wird dich für die Armee schnappen, wenn wir nicht aufpassen!«
    »Aber Dad, ich bin elf Jahre alt.«
    »Also gut«, sagte er. »Ich glaube daran, dass man seinem Land dienen muss, aber nicht, wenn man in der fünften Klasse ist.« Er sah mich mit einem seltsamen Blick an. Er erwog das Unmögliche. Ich kannte meinen Dad. Er wollte meine Geschichte nicht glauben, aber er wusste, dass irgendetwas daran nicht ganz aus der Luft gegriffen war.
    Dad zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und nahm mich mit zur Arbeit. Wir fuhren von Burbank nach Tarzana. Dort auf der Tip-Top-Ranch überprüften wir die Motoren der Maschinen, die Dad ihnen und allen Farmern im Land verkauft hatte. Wir tauschten die Zündkerzen eines alten Traktors aus und wechselten die Reifen. Dad entfernte sich nicht weiter als zwei Meter von mir, als könnte jemand kommen und mich ihm wegnehmen. Er stellte mich einer Reihe von Arbeitern vor, die zur oder von der Schicht kamen. Sie waren aus dem Süden, aus Mexiko, aber Dad schien ihre Sprache ein wenig zu sprechen. Keiner von ihnen grüßte mich so, als wäre ich ein Kind, wie ich es gewohnt war. Ich sah wie ein junger Mann aus, so groß wie Dutch. Ich wollte das nicht, ich wollte elf sein.
    »Misch dich unter die Arbeiter, Oscar«, ermahnte mich mein Dad an dem Nachmittag, als Mr Tip-Top persönlich kam, um die Orangenplantagen zu inspizieren. »Misch dich unter die Mexikaner. Gib vor, kein Englisch zu sprechen. Der alte Tip-Top wird dich nicht bemerken.«
    Aber Mr Tip-Top bemerkte mich. »He, Sommersprosse«, sagte er. »Komm in mein Büro. Nimm diesen Hut ab. Du bist kein Obstpflücker. Ich bin gezwungen, jede wehrtaugliche männliche Person auf der Plantage an die örtliche Musterungskommission zu melden. Da kommen sie! Ich höre ihren Jeep!«
    »Er ist mein Sohn. Er ist nur zu Besuch hier!«, sagte mein Dad.
    »Er sollte sich irgendwo registrieren lassen!«, sagte Mr Tip-Top und er schlenderte hinaus, um seine Orangenplantagen weiter in Augenschein zu nehmen.
    Zwei Soldaten in tadellos gebügelten Uniformen polterten durch die mit Fliegengitter bespannte Tür, salutierten und traten selbstsicher ins Büro. »Wir suchen Ihre Erntearbeiter mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, Mac!«, riefen sie meinem Dadzu. Aber als Erstes fiel ihr Blick auf mich. Der Sergeant konnte seine Augen nicht von mir losreißen. Er starrte und starrte, als hätte er soeben ein Stück Schokoladentorte mit Schlagsahne und einer Kirsche obendrauf erspäht.
    »Ich bin erst elf Jahre alt – sehen Sie mich nicht so an«, sagte ich.
    »Er ist wirklich erst elf«, sagte mein Vater. »Er sieht nicht so aus, aber er geht in die fünfte Klasse.«
    Die Soldaten zwinkerten einander zu. »Du willst uns wohl für dumm verkaufen«, sagte der eine mit den Unteroffiziersstreifen an seinen Ärmeln. »Das ist doch auch nur ein Trick, der Armee zu entgehen! Andere legen Löschpapier in ihre Schuhe. Davon bekommen sie Fieber.« Er rollte mit den Augen. »Von wo kommst du, Bursche?«, fragte er.
    »Aus Cairo, Illinois«, antwortete ich.
    »Ach so? Und hast dich bei der Musterungskommission drüben im Osten gemeldet?«
    »Musterungskommission? Natürlich nicht!«, sagte ich. »Ich gehe in die fünfte Klasse! Ich bin Ministrant in der Kirche Zur Schmerzensreichen Muttergottes.«
    »Es ist eine lange Geschichte«, sagte mein Dad.
    »Darauf wette ich«, sagte der Sergeant. Sein Gefährte, ein Korporal, machte Notizen. Der Korporal packte meine Hand und presste meine Finger auf ein Tintenkissen. Dann drückte er sie auf ein Blatt Papier. »Wir haben sie, Sergeant«, sagte er und heftete meine Fingerabdrücke in einem Ordner ab. »Geh und trink dir einen Rausch an und verabschiede dich von deinem Mädchen«, befahl er. »Wir kommen am Montag wieder, Punkt zwölf Uhr Mittag. Halte dich bereit. Wir schicken dich raus, ein paar Krauts zu töten, Junge.«
    Sie waren so schnell draußen, wie sie hereingekommen waren.
    »Was sind Krauts?«, fragte ich meinen Vater.
    »Deutsche«, antwortete er. »Wir sind auch mit ihnen im Krieg, auf der anderen Seite der Welt.«
    »Deutsche! Ich hab gedacht, wir haben sie im Großen Krieg erledigt!«
    »Sie sind zurückgekommen«, sagte Dad. »Sie haben einen verrückten Führer namens Hitler,

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