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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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den Spielzeuggeschäften versucht? Du könntest dort anrufen. Irgendwo sollte es eine Lionel-Anlage geben.«
    »Auf dem Weg hierher haben wir bei den größten Spielzeugläden in der Stadt gehalten. Keine Modelleisenbahnen. Nichts als Panzer und Kampfflugzeuge und Unterseeboote.«
    »Es ist Krieg«, sagte mein Dad.
    Dutch bestätigte es. »Seit Pearl Harbor ist die Welt verrückt geworden. Du kannst sicher sein, als Nächstes schnappen sie alle japanischen Mütter mitsamt ihren Kindern von der Straße und werfen sie in einen Stacheldrahtverhau irgendwo im Niemandsland.« Er winkte dem Kellner und bestellte Getränke. »Jedes Milchgesicht, das noch nicht trocken hinter den Ohren ist, geht zum Militär. Die Armee wird dir bald auf den Fersen sein, Cowboy«, sagte Dutch. »Mich lassen sie in Ruhe, weil ich so verdammt kurzsichtig bin, aber du hast nicht die geringste Chance, der Musterung zu entgehen.«
    »Abgesehen davon, dass ich elf Jahre alt bin undin einem Lionel-Zug hierhergekommen bin«, sagte ich.
    Dutchs Augenbrauen schossen hoch, aber er aß weiter.
    »Sie glauben mir nicht«, sagte ich und blickte niedergeschlagen auf meinen Teller. Ich schob ein Stück Steak in seiner Soße herum.
    »Ich glaube Folgendes«, sagte Dutch und wischte sich den Mund an seiner Serviette ab. »Du hast vor zehn Jahren in der Bank einen so kapitalen Schock erlitten, dass du dich noch immer nicht davon erholt hast. Wo bist du seitdem gewesen?« Dutch stocherte mit der Gabel in seiner Ofen-Kartoffel herum.
    Ich starrte auf das Tischtuch. »Das ist alles, woran ich mich erinnere«, sagte ich und sah ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, fest in die Augen. »Am Heiligabend stand ich genau auf der Westseite der Modelleisenbahn in der Bank. Die Glocken der Kirche weiter unten auf der Straße schlugen. Ich hab die Schläge gezählt. Fünf Uhr. Dann kann ich mich an nichts erinnern, bis zu dem Moment, als ich einen schmutzigen Finger am Abzug einer Pistole sah, die direkt auf meinen Kopf gerichtet war. Ich hab die Augen zugemacht und bin mit aller Kraftund so weit ich konnte gesprungen. Ich schwör’s, Dutch. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich aus einer Kanone geschossen worden. Ich bin in einem Wacholdergebüsch aus gefärbtem Seeschaum gelandet. Ich war auf dem Bahnhof Dune Park an der Süduferlinie. Der Blaue Komet kam um 17.04 Uhr an und ich bin eingestiegen.«
    Dutch runzelte die Stirn und trank einen Schluck Wasser. Er fuhr sich mit der Zunge über die Innenseite seiner Zähne, aber er sagte nichts.
    Ich griff in meine Tasche und zog meine Geldbörse heraus. »Sehen Sie. Das ist das Ticket, mit dem ich nach Chicago gefahren bin. Hier ist der Stempel vom Schaffner drauf: 17.04 Uhr. Der Stempel ist echt, Dutch.«
    Dutch nahm das Ticket und betrachtete es eingehend. Er reichte es meinem Dad weiter.
    »Diese Tickets, Oscar«, sagte Dad, »die waren immer in den Lionel-Kartons, wenn ich einen neuen Zug bestellt hatte.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich hab sie alle in meiner Brieftasche aufgehoben, nachdem du die Züge verkauft hast, Dad.«
    »Moment mal«, sagte Dutch. Er wandte sich anmeinen Vater, starrte wieder auf das Ticket und tastete mit dem Finger über die Stempelprägung. »Oscar senior«, fragte er, »Sie sind aus Illinois, richtig?«
    »Ja, Sir«, sagte mein Dad. »Dort geboren und aufgewachsen.«
    »Also gut. Wie lange braucht man Ihrer Meinung nach, um in Dune Park in einen Zug zu steigen und in Chicago den Anschluss an den Golden State nach Kalifornien zu erreichen?«
    Mein Dad runzelte die Stirn. »Eine Bahnfahrt von Dune Park nach Chicago dauert ungefähr neunzig Minuten. Also vielleicht eine Stunde und vierzig Minuten, wenn man rennt wie der Teufel.«
    »Oscar«, sagte Dutch. »Du warst im Golden State. Der Zug fährt jeden Abend auf die Minute pünktlich. Ich weiß, dass du in dem Zug warst, weil ich es auch war. Soweit ich mich erinnere, haben die Zeitungen bestätigt, dass der Überfall ziemlich genau um siebzehn Uhr stattgefunden hat. Selbst wenn du Flügel gehabt hättest, hättest du nie um neunzehn Uhr neun in Dearborn den Golden State erreicht, außer wenn du mit dem Regionalzug der Süduferlinie gekommen wärst. Er verlässt Dune Park umsiebzehn Uhr vier. Damit bleiben vier Minuten für den ganzen Bankraub. Keine Zeit, um gefesselt und geknebelt und in einen Kofferraum geworfen zu werden. Es gibt jeden Abend nur einen Zug nach Kalifornien und ich weiß, du warst drin, weil ich um Mitternacht in Des Moines

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