Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie
sagte er, »dir verdanke ich meinenDurchbruch beim Film. Ich habe Probeaufnahmen gemacht bis zur Erschöpfung, und dann – bingo! – nahm ich meine Brille ab, genau wie du gesagt hast, und ich habe meine erste Rolle bekommen. Oscar, bist du hungrig?«
»Ich bin immer hungrig, Dutch«, antwortete ich.
»Treffen wir uns in einer halben Stunde im Brown-Derby-Restaurant zum Abendessen.«
»Weißt du, wo das Brown Derby ist, Dad?«, fragte ich, als ich den Telefonhörer einhängte.
»So können wir nicht ins Brown Derby gehen«, sagte mein Dad. Er hatte seine Arbeitskleidung an: ein kariertes Hemd mit dem John-Deere-Emblem auf der Brusttasche, eine fleckige Arbeitshose und schwere Stiefel. Wir schrubbten uns, so gut wir konnten, aber wir waren noch immer nicht sehr sauber.
Trotzdem rumpelten wir in unserem Obstpflücker-Lieferwagen zum Brown Derby und parkten vor dem Restaurant, wo Luxuslimousinen wie für eine Autoschau aufgereiht standen. Dad war zu schüchtern, also nannte ich dem Oberkellner Dutchs Namen. Der Kellner musterte uns spöttisch, bis plötzlich Dutch, größer und sogar noch strahlender,als ich ihn in Erinnerung hatte, hereinschlenderte. Er trug einen breitkrempigen Cowboyhut und war sonnengebräunt. Um besser zu sehen, zog er seine Brille aus der Tasche und ließ seine Augen suchend durch den Raum schweifen. Dann, als sein Blick auf meinen steilen Haarschopf fiel, lächelte er und nahm seine Brille ab. Er hatte zugenommen und sah aus wie der Prinz von Hollywood. An seinem Gang konnte man erkennen, dass ihm das bewusst war.
»Wie hast du ihn bloß kennengelernt?«, fragte mein Dad flüsternd.
»Ich hab’s dir gesagt, Dad. Im Zug!«
»Heiliges Kanonenrohr! Immer noch diese Tolle und die Sommersprossen, Cowboy!«, sagte Dutch und streckte Dad und mir seine Hand hin. »Was für ein prächtiger junger Mann du geworden bist, Oscar! Ich würde zu gern wissen … Hast du je diese Belohnung kassiert?«
»Sie erinnern sich daran!«, platzte ich heraus.
»Ich habe mich wie ein Schuft gefühlt, als ich dich auf dem Bahnhof zurückgelassen habe«, sagte Dutch. »Ich bin ins Taxi gestiegen und hab mir gesagt, Dutch, du hast den Jungen schnöde im Stich gelassen. Du solltest zurückgehen und warten, biser seinen alten Herrn gefunden hat.« Ein Schatten von Traurigkeit huschte über Dutchs Gesicht, als er sich daran erinnerte, doch er begann gleich wieder zu strahlen und rief triumphierend: »Aber du siehst aus, als wärst du okay, Cowboy!«
Dutch kümmerte es kein bisschen, wie wir angezogen waren, obwohl uns der Kellner mit einem kritischen Blick musterte. Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster. Durch die Fernsterscheibe konnte ich das Los Angeles des Jahrs 1941 vorbeispazieren sehen. Frauen in kurzen und langen Hosen bummelten die Straße entlang. Auf den Straßen von Cairo trugen die Frauen weder kurze noch lange Hosen.
Dad brachte kaum ein Wort heraus. Es fiel ihm schwer, mit jemandem, der so berühmt war, zu sprechen. Aber selbst wenn Dutch der Präsident der Vereinigten Staaten gewesen wäre, es hätte für mich keine Rolle gespielt. Für mich war er einfach Dutch. Er bestellte Steaks für alle.
»Ist dir jemals wieder eingefallen, was in der Bank passiert ist?«, fragte Dutch. »Hast du dich je an die Namen und Gesichter dieser Gangster erinnert?«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe alles irgendwie imAugenwinkel, aber wenn ich richtig hinsehe, löst es sich in Rauch auf.«
»Schade«, sagte Dutch, und mit einem Grinsen, an das ich mich gut erinnerte, legte er seinen Kopf schief.
»Aber es ist erst ein paar Tage her«, sagte ich.
»Sind sie wiedergekommen?« Dutch sah auf.
Dad und Dutch wechselten Blicke.
»Dutch, ich brauche Ihre Hilfe«, sagte ich.
»Wenn ich kann, Oscar, gern«, sagte Dutch.
Der Kellner tänzelte mit den Steaks auf zischend heißen Zinntellern, Salat und gebackenen Kartoffeln aus der Küche. So eine Mahlzeit hatte ich seit … seit der Fahrt im Zug von Chicago nicht mehr genossen. Seit 1931 . Vor ein paar Tagen.
»Ich muss eine Modelleisenbahn finden, Dutch. Eine komplette Anlage. Eine herrliche, große Anlage mit vielen Zügen. Gibt es so etwas in Los Angeles?«
»Warum, Oscar? Wenn ich fragen darf«, fragte Dutch.
Mein Dad schaute verlegen drein, faltete und entfaltete seine Serviette.
»Weil ich zurückmuss«, antwortete ich.
Dutch spießte ein Stück nach dem anderen von seinem Steak auf, kaute und schluckte sie hinunter, bevor er antwortete. »Hast du’s in
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