Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie
»Wir müssen keinen Zug kaufen. Ich muss nur herausfinden,wie ich auf einen aufspringen kann. Aber es wäre gut, mir zuerst Jungenkleider zu besorgen. Ich kann nicht in einem Männeroverall zurückreisen.«
Dad startete den Laster und wir fuhren auf Schotterstraßen durch Santa Monica, am Pazifischen Ozean entlang und bogen dann in den Wilshire Boulevard von Los Angeles ein. Bei Bullocks – Alles für Jungen hielten wir an. Dad und ich kauften Unterwäsche, Hose, Hemd, Schuhe, Socken und ein Leinenjackett in Kindergröße sowie eine Segeltuchtasche mit Reißverschluss, um alles darin zu verstauen. Ich steckte meine Schokoriegel-Notration und meine Lionel-Rückfahrkarte hinein. Dann gingen wir weiter zu Minshmans Spielwarenhaus, dem größten Spielzeuggeschäft in der Stadt.
Nach dem 7 . Dezember 1941 , dem Tag des Überfalls auf Pearl Harbor, hatte Minshman den Verkauf von Modelleisenbahnen eingestellt. Alles im Schaufenster und in der oberen Etage, wo zuvor die Eisenbahnzüge herumgekurvt waren, war auf den Krieg ausgerichtet – Panzer, Kanonen und U-Boote. Aber sie alle waren aus Holz und Karton gemacht. Nicht aus Metall. Spiel mit unseren Panzern und hilf mit,den Krieg zu gewinnen! , stand auf einer großen Tafel. Zehn Prozent des Preises gehen an unsere Jungs in Uniform!
Wir versuchten es in einem anderen Geschäft und in noch einem und noch einem. Alle waren vollgestopft mit Bombern und Maschinengewehren und Armee-Uniformen in Kindergröße. Da waren Zerstörer, Transportmaschinen, Jeeps, Kampfflugzeuge und Flugabwehrkanonen. Aber kein einziger Zug ratterte auch nur um eine einzige Biegung. Im allerletzten Geschäft erklärte uns der sehr hilfsbereite Verkäufer, dass Lionel die Produktion für die Dauer der Kampfhandlungen eingestellt habe, um Metall für den Kriegsbedarf zu sparen. Niedergeschlagen saßen wir in Dads Traktor, die Tasche mit Kleidern zwischen uns auf dem Sitz.
»Es ist eine Sackgasse«, sagte Dad. »Wir bringen dich lieber schleunigst in ein Versteck in den Bergen, bis der Krieg zu Ende und die Musterung vorüber ist.«
»Warte einen Moment!«, sagte ich. Ich holte meine Kunststoffbörse aus der Tasche und kramte darin. Schließlich fischte ich einen zerschlissenen Zettel der Rock Island Line heraus. In verblasstemGekritzel stand darauf: Wenn du irgendwann Hilfe brauchst, ruf mich jederzeit an, Oscar. Viel Glück!
Darunter war eine Telefonnummer vermerkt. Mein Vater schaute auf die Unterschrift. »Heilige Muttergottes!«, sagte er. »Dein Freund Dutch ist ein berühmter Filmschauspieler. Er spielt in einer Menge Western. Jemanden wie ihn kriegst du niemals ans Telefon. Er ist zu berühmt.«
Eine angenehme weibliche Stimme meldete sich am Telefon. Als ich nach Dutch unter seinem richtigen Namen fragte, fing sie an zu lachen. »Ach du meine Güte!«, sagte sie. »Er ist jetzt ein Filmstar. Vor einer Ewigkeit ist er mit meiner Tochter Audrey aufs College gegangen. Er kam zu Weihnachten aus Des Moines, 1931 war das, glaube ich, als sie ein Liebespaar waren. Wir haben ihn nie wiedergesehen. Audrey ist jetzt mit einem Rechtsanwalt verheiratet. Sie lebt in New York!«
»Wissen Sie, wo ich Dutch erreichen kann?«, fragte ich und meine Hoffnung sank ins Bodenlose.
Ich hörte, wie sie mit ihren Fingernägeln an den Telefonhörer tippte, während sie fieberhaft nachdachte. »Er wird nie im Leben im Telefonbuch aufgelistetsein. Er ist zu berühmt«, sagte die Frau. »Aber warten Sie einen Moment. Ich glaube, Audrey hat ihn zufällig einmal im Biltmore getroffen. Er hat ihr in der Hotelbar eine Limonade spendiert. Das Filmstudio mietet im Biltmore ein Zimmer für ihn, wenn er in der Stadt ist. Wenn er nicht gerade einen Film dreht, finden Sie ihn dort. Viel Glück!«
Zuerst wollte mich die Telefonistin des Hotels nicht zu Dutch durchstellen. Sie fragte nach meinem Namen und ließ mich fünf Minuten warten. Plötzlich war ein Mann in der Leitung. »Hotel Biltmore, Rezeption, wie kann ich Ihnen helfen?«, sagte er. Ich fragte nach Dutch unter seinem richtigen Namen. Dann hielt ich den Atem an und betete inbrünstig zu allen vergessenen Heiligen, deren Statuen an beiden Wänden unserer Kirche aufgereiht waren, nicht zu vergessen zur Schmerzensreichen Muttergottes selbst. Innerhalb einer Minute war diese wundervolle Stimme in der Leitung.
»Er wird sich niemals an dich erinnern«, flüsterte mein Dad.
Aber er tat es doch.
»Und ob ich mich an dich erinnere!«, rief Dutch ins Telefon. »Oscar«,
Weitere Kostenlose Bücher