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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Gingerale.
    »Miss Chow?«, sagte Alma und nickte einer Frau zu, die an der Seite des Raumes saß. Es war eine schlanke Asiatin in einer roten Tunika und schwarzer Hose. »Miss Chow kommt aus China und ist die persönliche Assistentin meines Mannes«, sagte Alma. »Ihr Heimatland wurde, wie Sie sicherlich wissen, von den Japanern bombardiert und besetzt.« Im Nu zauberte Alma unsere Getränke hervor und servierte sie mit einem gewinnenden Lächeln.
    »Mein Mann, Mr H., wird bald nach Hause kommen«, erklärte Alma. »Aber Sie, Oscar, werden die Berühmtheit des Tages sein!«
    »Wer, ich?«, fragte ich.
    »Am Telefon hat mir Dutch von den Bankräubern und dem toten Nachtwächter und der Zehntausend-Dollar-Belohnung erzählt!«
    Ich antwortete: »Ich kann mich an nichts erinnern. Die Gangster haben sich wahrscheinlich mit der Beute nach Mexiko abgesetzt und leben dort in Saus und Braus.«
    »Mexiko?«, fragte Dutch scharf. »Warum Mexiko, Oscar?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und schaute stirnrunzelnd vom Fußboden hoch. »Ich kann mich nicht erinnern.« In diesem Moment bemerkte ich, dass Miss Chows Augen auf mich geheftet waren. Ihr Blick war so durchdringend wie Scheinwerfer in einer mondlosen Nacht. Die versiegelte Tür in meinem Kopf hatte für eine Sekunde offen gestanden und sich gleich wieder geschlossen.
    »Nun, die Crawford’sche Modelleisenbahn ist eine der großen Attraktionen Hollywoods«, sagte Alma. »Es gibt einen Bus für Touristen, die extra nach Beverly Hills kommen, um die Villen der Stars zu sehen. Manchmal hält der Bus hier vor dem Haus und Miss Crawford lässt die Leute herein und zeigt ihnen den Garten. Das heißt, wenn sie gute Laune hat.« Alma schaute zu Dutch hinüber. »Ich weiß nicht, wie man die Züge in Gang setzt. Wissen Sie es?«
    Mein Vater nickte. »Und ob wir das wissen!«, sagte er.
    »Das freut mich«, antwortete Alma, stand auf und strich ihren Rock glatt. »Die Modelleisenbahn gehört genau genommen ihrem Sohn Christopher. Ich möchte nicht, dass irgendetwas schiefgeht. Joan hat so ein hitziges Temperament, müssen Sie wissen! Wahrscheinlich würde sie eine ihrer geschliffenen Glaskaraffen auf meinem Kopf zertrümmern, wenn den Zügen ihres Sohnes etwas passiert.«
    Dad versicherte Alma, dass er so viel Erfahrung habe, wie ein Modelleisenbahner sich nur wünschen konnte, und dass die Züge in seinen Händen absolut sicher seien.
    »Ich vertraue Ihnen«, sagte Alma zu meinem Dad. »Sie haben ein so ehrliches Gesicht!«
    Sie begleitete uns zum Lift. Ich hätte nie gedacht, das es in Privathäusern einen Lift geben könnte. Er brachte uns zwei Stockwerke nach unten. Alma schaltete das Licht an. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, Oscar«, fragte sie, »wenn ich meinem Mann Ihre merkwürdige Geschichte erzähle? Die von dem Bankraub?«
    »Nein«, sagte ich, »es macht mir überhaupt nichts aus.«
    Sie schenkte mir und Dad ein reizendes Lächeln. »Mein Mann sammelt Kriminalgeschichten. Er liebt die wahren Geschichten, und ich weiß, dass er Ihre gern hören würde!«
    Das Deckenlicht enthüllte eine Modelleisenbahn, vor der sich sogar Mr Pettishanks’ Anlage verstecken musste, ganz zu schweigen von unserer alten im Keller in der Lucifer Street. Hier gab es Gabelstapler und Laderampen. Es gab einen ganzen Union-Pacific-Transportzug mit sechzig Autos. Vor Staunen stand mir der Mund offen. Die einfachen Güterzüge und Dampflokomotiven waren verschwunden. Die neue Generation von Zügen der Lionel Line war wie ein Traum. Neben den bekannten Klassikern hatte man besonders leistungsstarke, torpedoförmige Streamliner-Lokomotiven eingeführt. Der Commodore Vanderbilt, der Hudson und der Hiawatha, mit einem goldglänzenden Adler auf ihren Lokomotiven, dröhnten durch die Tunnels. Der Flying Yankee sauste um die Kurven. Elektrische Beleuchtung und Signale gab es im Überfluss. Mein Dad war überwältigt. Beim Anblick der fahrenden Züge stiegenihm Tränen in die Augen und erstickten seine Stimme. »Ich habe seit zehn Jahren keine Modelleisenbahn mehr gesehen«, sagte er zitternd.
    Dutch gab ihm einen freundschaftlichen Klaps zwischen die Schulterblätter. »Ihr Sohn lebt und ist gesund, Oscar senior«, sagte er. »Danken Sie Ihrem Glücksstern und seien Sie froh!«
    Mein Dad lächelte und wischte sich die Augen. »Beim Anblick der Züge purzeln mir Jahre vom Buckel!«, stimmte er zu.
    Im Unterschied zu meinem Dad war ich hellwach. Ich stellte fest, dass der Grand Central Bahnhof von

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