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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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jüngster Zeit einer stärkeren Gewalteinwirkung ausgesetzt, darüber besteht kein Zweifel. Er hat eine Schwellung in der Brust und kleine Haarrisse über den ganzen Rumpf verteilt. Die inneren Organe wurden einer Belastung ausgesetzt,die wir g-Kräfte nennen, das heißt, einer Belastung durch Beschleunigung. Sie haben einen Hochgeschwindigkeits-Schock erlitten. Ich habe so was bei Piloten gesehen. Das hier ist höchst eigenartig. Ich kann es nicht genau festmachen, aber ich habe diese Symptome im Krieg gesehen. Und trotzdem …«
    »Sind Sie sicher?«, fragte mein Dad.
    »So sicher, wie dass Gott kleine grüne Äpfel gemacht hat«, antwortete sie.
    Schwester Washington beendete meine Tortur mit einer großen Spritze. »Das ist nur eine kleine Dosis Antibiotikum und eine Spur Morphium gegen die Schmerzen«, sagte sie. »Es ist das neueste und beste Mittel und es wird eine Entzündung verhindern.«
    Ich wurde fast ohnmächtig, als ich die Nadel sah, genau wie damals zu Hause, wenn mir Dr. Peasley meine jährlichen Scharlach- und Diphterie-Impfungen gab. Rasch hielt mir die Schwester Riechsalz unter die Nase.
    Mein Dad zahlte ihr fünf Dollar aus seiner abgewetzten Brieftasche voller Zettel. Dutch bestand darauf, dass Dad das Geld wieder einsteckte. »Das Ganze war meine Schuld«, sagte Dutch. Er hielt Dads Hand fest und legte selbst fünf Dollar auf denSchreibtisch der Krankenschwester. »Ich hab ihn dazu aufgefordert.«
    Draußen heulte die Sirene eines Krankenwagens. Das Lichtsignal, rot und kreisend, warf seinen Widerschein durch das Fenster auf Schwester Washingtons fleckenlose weiße Uniform. Die Tür des Mercy-Hospitals flog auf, der nächste Notfall wurde eingeliefert.
    »Tut mir schrecklich leid«, sagte ich, während ich mich aufsetzte und mir die Nase putzte. »Ich habe Angst vor Spritzen.«
    »Sie werden Schwierigkeiten in der Armee bekommen, Oscar«, sagte Schwester Washington traurig.
    Ich lag zusammengekauert auf dem gepolsterten Rücksitz von Dutchs Auto, während er uns zurück zum Hotel Biltmore und zu Dads Lastwagen brachte. Dutch fuhr ruhig durch die Nacht und die Straßen der großen Stadt.
    »Schwierigkeiten ist nicht das richtige Wort«, hörte ich Dutch zu Dad sagen. »Die Armee wird mit unserem Jungen kurzen Prozess machen.« Dutch schwieg eine Weile. Dann nahm er den Faden nachdenklich wieder auf. »Irgendetwas ist mit unseremOscar passiert«, sagte er. »Die Psychoanalytiker würden es mit dem Begriff Amnesie oder einem anderen komplizierten Wort bezeichnen. Aber etwas viel Seltsameres ist mit Oscar passiert, denn er ist elf Jahre alt! Sehen Sie ihm in die Augen. Das ist kein Mann! Er ist immer noch ein Junge oder ich bin ein tanzender Derwisch. Verdammt und zugenäht, wir sollten ihn besser ins Jahr 1931 zurückexpedieren oder er ist verloren.«
    »Aber wie?«, fragte mein Dad.
    »Warum hat es heute nicht funktioniert?«, sinnierte Dutch. »Was ist schiefgegangen? War es der falsche Zug? Die falsche Atmosphäre?«
    Ich wachte erst am Sonntagmorgen auf, als das Telefon in Dads Wohnung klingelte.

»Ich sammle perfekte Verbrechen!«, sagte Mr H. Er war ein vollkommen birnenförmiger Mann, mit einem birnenförmigen Kopf. Sein Gesicht war so rosig wie das eines Babys. Er sprach im Tonfall der englischen Oberschicht. Ich hatte diesen Tonfall nur einmal im Radio gehört, in einer Seifenoper, die regelmäßig am Sonntag gesendet wurde und die Tante Carmen nie versäumte.
    »Ihr Vater ist ein ehrenwerter Mann«, sagte Mr H. und zog seine Hose mit der messerscharfen Bügelfalte über den Knien hoch, damit sie sich beim Sitzen nicht ausbeulte. »Er hat den ganzen weiten Weg hierher zurückgelegt, um die Modelleisenbahn zu reparieren. Wahrscheinlich hat ihm Alma bezüglich Miss Crawfords hitzigen Temperaments einenheillosen Schrecken eingejagt. Wir alle zittern beim Gedanken an Miss Crawfords berüchtigte Wutausbrüche.«
    Mit keinem Wort erwähnte Mr H. meine Verbände und die Krücke. Darüber war ich sehr froh, weil ich mich vollkommen idiotisch fühlte, dass ich wie ein Irrer kopfüber auf eine Modelleisenbahn gesprungen war. Wir saßen allein in seinem Arbeitszimmer, Mr H. und ich, während Dad unten an der Anlage arbeitete. Dad war es gelungen, von einer der Werkstätten für Filmkulissen das Material für die Reparatur zu beschaffen. Dank Dutch hatten wir am Sonntag, wo alle Geschäfte geschlossen waren, Fliegengittergewebe, Gips und Emailanstrich in den richtigen Farben erstanden.
    Miss Chow

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