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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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könnte.«
    »Nein, aber genau das wird Roote doch behaupten, oder? Hör mal, Pete, er muß uns auf alle Fälle einige Fragen beantworten. Vielleicht aber solltest du sie ihm lieber nicht stellen. Zumindest jetzt noch nicht.«
    »Quatsch«, entgegnete Pascoe.
    Aber er rief in der Zentrale an und befolgte Wields Rat, bestand aber darauf, sofort informiert zu werden, wenn die losgeschickten Beamten Bericht erstatteten.
    Das dauerte weitere zehn Minuten, in denen er und Wield sich anschwiegen.
    »Niemand da, Sir«, wurde schließlich gemeldet. »Wie lange soll die Wohnung observiert werden?«
    »So lange wie nötig«, antwortete Pascoe.
    Er schaltete sein Handy ab, schaute in das stoische Gesicht des Sergeants und sagte: »Okay. Du hast gewonnen. Gehen wir und entschuldigen uns.«
    Sie waren an der Tür des Studiotheaters angelangt. Die Sitzreihen stiegen an drei Seiten steil von der hellerleuchteten flachen Bühne auf, anscheinend war jeder Platz besetzt. Der einzige freie Sitz, den er entdecken konnte, war ganz vorne neben Ellie. Sie wirkte nicht gerade glücklich.
    Wie lange er ohne Erklärung fort gewesen war, wurde deutlich, als plötzlich Applaus aufbrandete und in den hinteren Reihen ein Freudenschrei erklang. Ein Mädchen, das kaum älter als sechzehn schien, sprang auf und rief: »Das bin ich!« Ein Scheinwerferstrahl wanderte über das Publikum, bis er sie gefunden hatte.
    Aus ihren weitschweifigen und tränenreichen Dankesworten, die eine Oscar-Rede überboten hätten, ging hervor, daß sie den dritten Preis gewonnen hatte.
    »Pete«, sagte Wield. »Ganz außen links, fünfte Reihe von vorne.«
    Pascoe zählte.
    »Danke, Gott«, sagte er.
    Da saß Franny Roote, wie immer schwarz gekleidet, so daß sein blasses Gesicht im Halbdunkel des Zuschauerraums zu schweben schien. Ein Bild kam Pascoe in den Sinn, es stammte aus einem vor langer Zeit gelesenen Gedicht, in dem ein Verurteilter durch eine dichtgedrängte Zuschauermenge zur Hinrichtung geführt wird. Selbst aus der Ferne war sein blasses Gesicht unverwechselbar. Das galt auch für Roote; nur daß, wenn Pascoe sich nicht irrte, er der Henker war und nicht der zur Hinrichtung Geführte.
    Auf der Bühne verkündete Mary Agnew, wer den zweiten Preis erhielt; er wurde für eine Geschichte verliehen, die, wenn man der Jury glauben durfte, die Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen auslotete. Der Titel und das Pseudonym wurden verlesen, der Umschlag geöffnet, und vom Balkon erscholl der Freudenschrei einer zweiten Frau, die gut und gerne die Urgroßmutter der anderen Preisträgerin hätte sein können.
    »Jetzt«, sagte Pascoe, während die Frau die Bühne betrat und das Publikum applaudierte.
    Er hoffte, unbemerkt an Ellie vorbeizukommen, was ihm aber nicht gelang. Ihr vorwurfsvoller Blick traf ihn wie das Geschoß einer Steinschleuder. Er zuckte zusammen, lächelte zerknirscht und hastete die Stufen hinauf auf Roote zu.
    »Mr. Roote«, sagte er leise. »Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
    »Mr. Pascoe, guten Abend. Selbstverständlich, ich unterhalte mich immer gern mit Ihnen.«
    Der junge Mann blickte erwartungsvoll zu ihm auf, das gewohnte leise Lächeln um die Lippen.
    »Ich meine, draußen.«
    »Oh. Hat das nicht Zeit? Es ist gleich vorbei. Es wird nämlich live übertragen.«
    »Ich würde lieber …«
    Pascoe verstummte, als man rings um ihn ärgerlich zu zischen begann, und bemerkte, daß die Gewinnerin des zweiten Preises ihre Dankesrede begonnen hatte. Glücklicherweise besaß sie genügend Altersweisheit, um sich kurz zu fassen. Ihre Rede war nur halb so lang, aber doppelt so elegant wie die der Trägerin des dritten Preises.
    Als sie unter neuerlichem, erleichtertem Applaus die Bühne verließ, sagte Pascoe entschlossen: »Jetzt, bitte, Mr. Roote.«
    »Nur noch ein paar Minuten«, bat Roote.
    Pascoe drehte sich zu Wield um, der mit einem sachten Kopfschütteln die unausgesprochene Frage zu beantworten schien: Wie wär’s, wenn ich ihn in den Polizeigriff nehme und hinauszerre?
    Unten sagte Agnew: »Und nun zu unserem Gewinner. Die Jury war sich hier in ihrer Entscheidung einig. Sie meint, herzerwärmende Erzählungen liegen zwar in unserer Zeit, die sich vor allem den Schattenseiten des menschlichen Lebens zuwendet, nicht im Trend, aber wenn sie so gut geschrieben sind wie diese, mit tiefster Menschlichkeit und einer Leichtigkeit des Stils, wie man sie sonst nur bei den großen Klassikern des Genres findet, dann bestärkt sie das

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