Die rätselhaften Worte
ebenfalls den Blick schweifen, allerdings weniger verstohlen als Roote. Das gewohnte sardonische Lächeln spielte um seine Lippen. Schließlich zog auch er ein Blatt Papier aus seiner Aktentasche und legte es behutsam in den offenen Plastiksack.
So ein Mist, dachte Pascoe. Ein Unglück kommt selten allein!
Penn verließ den Bereich, den die Kamera erfaßte. Wahrscheinlich ging er an seinen Arbeitstisch. Der Bildschirm wurde schwarz, bis er durch die Ankunft von Rye Pomona wiederbelebt wurde.
Sie ging hinter den Benutzertresen, blieb stehen, als würde sie dem Streit im Büro lauschen, bückte sich, um ihre Handtasche unter dem Tisch zu verstauen, und begann dann, die Post zu öffnen.
Offenbar war nichts dabei, was sie interessierte, und sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Sack zu. Zunächst nahm sie ein einzelnes Blatt heraus, das sie überflog, dann drehte sie sich um und schaute in den Teil der Bibliothek, den die Kamera nicht abdeckte. Ihr Gesicht war ausdruckslos, aber sie ließ das Blatt fallen und rieb sich dann die Finger, als hätte sie etwas Giftiges angefaßt.
Das Bild verschwand, während Rye noch zu sehen war. Als nächstes folgte ein Sicherheitsrundgang am Samstag abend.
»Der von der Tagschicht hat sie abgeschaltet«, rechtfertigte sich der Wachmann. »Aber Sie sehen aus, als hätten Sie gefunden, wonach sie suchen.«
Soviel zu meinem Pokerface, dachte Pascoe.
»Wir können jedenfalls was damit anfangen«, sagte er unverbindlich. »Schauen wir’s uns noch mal an.«
Sie ließen das Band noch zweimal durchlaufen. Es sah so aus, als hätte Roote ein oder mehrere Blätter in den Sack gelegt. Mittels Bildbearbeitung am Computer in der Zentrale sollte sich das zweifelsfrei feststellen lassen.
»Gut, wir nehmen das mit, okay? Sie bekommen eine Quittung.«
»Sir«, sagte Wield, der sich wie immer in der Öffentlichkeit strikt ans Protokoll hielt, »ich glaube, wir müssen los.«
Pascoe folgte seinem Blick zu einem Bildschirm, der den Empfang zeigte. Bis auf ein paar Leute, die die Gläser einsammelten, war niemand mehr zu sehen.
Pascoes erster Impuls war, Wield ins Studiotheater hinunterzuschicken, um Ellie davon zu erzählen, und sich selbst auf die Suche nach Roote zu machen. Aber als sie den Korridor hinuntereilten, versuchte der Sergeant, ihm das auszureden.
»Du weißt doch, wie Roote ist, Pete«, sagte er. »Du solltest wenigstens vorher Andy anrufen und ihn ins Bild setzen. Und Charley Penn müssen wir schließlich auch unter die Lupe nehmen.«
»Ja, aber es sah doch so aus, als habe er das Blatt hineingelegt, das Rye Pomona zuerst herausgeholt und gelesen hat«, gab Pascoe zu bedenken. »Das hat sie dann auf den Boden fallen lassen. In ihrer Aussage hat sie doch erwähnt, sie hätte ein Gedicht gefunden, das Penn übersetzt hat, oder?«
»Stimmt. Und Penn hat gesagt, er habe es wohl versehentlich oben auf dem Sack liegen lassen, als er zur Theke ging. Aber für mich sah das nicht nach Zufall aus. Und wer sagt, daß er nicht auch den Dialog hineingeschoben und das Gedicht nur als Tarnung benutzt hat, falls ihn jemand dabei beobachtet hat?«
»Möglich, aber unwahrscheinlich. Jedenfalls wissen wir, wo Penn ist, nämlich hier. Was mir Sorge bereitet, ist die Vorstellung, daß Roote frei herumläuft.«
Aber um nicht unvernünftig zu erscheinen, machte Pascoe einen Abstecher in einen Teil des Zentrums, wo sein Handy guten Empfang hatte. Er versuchte es bei Dalziel zu Hause. Nichts.
»Hat er nicht was von einem Tanzabend gesagt?« erinnerte sich Wield.
Er wählte das Handy des Dicken an, wieder ohne Erfolg.
»Wahrscheinlich hört er es nicht vor lauter Kastagnettengeklapper«, meinte Pascoe.
»Irgendwann muß er sich ja mal hinsetzen, damit dort der Boden nicht durchbricht«, witzelte Wield.
Das war eine üble Verleumdung, denn beide wußten genau, daß Dalziel, ein phantastischer Tänzer, sich geradezu leichtfüßig übers Parkett bewegte.
»Wir verschwenden unsere Zeit«, sagte Pascoe. »Roote könnte schon unterwegs sein und gerade jemanden ermorden.«
»Und wenn er’s tut? Wo willst du suchen?« fragte der besonnene Wield. »Am besten rufen wir in der Zentrale an, damit die jemanden zu seiner Wohnung schicken, der ihn im Auge behält, falls er da ist. Wenigstens sparst du dir dann die Fahrt.«
»Sehr rücksichtsvoll von dir, Wieldy«, sagte Pascoe. »Eigentlich willst du aber damit sagen, daß ich zu parteiisch und voreingenommen bin, als daß man mich auf ihn loslassen
Weitere Kostenlose Bücher