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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Tyrannen aus unserem Jahrgang vorknöpfte, kapierten alle, daß sie an ihm nicht mehr ihr Mütchen kühlen konnten.«
    »Und Dee?«
    »Zunächst profitierte er davon, denn Penn stellte klar, daß jeder, der sich an seinem Freund Dee vergriff, es mit ihm zu tun bekam. Aber gleichzeitig entwickelten sich Dees eigenartige Neigungen in eine Richtung, die seine Klassenkameraden eher amüsierte als befremdete. Er hatte eine Vorliebe für Worte, je seltsamer und wunderlicher sie waren, desto besser, und er begann, sie in den Unterricht einfließen zu lassen. Das war eine großartige Methode, die Lehrer durch den Kakao zu ziehen, weil sie sich eigentlich nicht darüber beklagen konnten. Entweder mußten sie ihre Unkenntnis zugeben oder sich mit einem Bluff retten. Manche versuchten, ihn zu ignorieren, wenn er sich meldete, um eine Frage zu beantworten. Aber die anderen Schüler spielten mit und sorgten dafür, daß Dee häufig als einziger die Hand hob.«
    »Mit anderen Worten, er mußte etwas leisten, um akzeptiert zu werden?« warf Pascoe ein.
    »Wir finden alle einen Weg, um zu überleben, egal, wie alt wir sind«, meinte Wingate mit einem Blick auf Dalziel.
    Der Dicke gähnte herzhaft. Wahrhaft hippopotamalisch, dachte Pascoe. Falls dieses Wort existierte.
    »Hat er auch Worte erfunden?« fragte er.
    Wingate lächelte kühl. »Typisch Polizei – immer wollt ihr mehr wissen, als ihr preisgebt. Ja, allerdings, und das gab dem Spiel, das er mit der Lehrerschaft trieb, eine neue Dimension. Denn jetzt riskierten sie auch noch, so zu tun, als würden sie Worte verstehen, die es nicht einmal gab. Aber es ging nicht nur um das
épater la pédagogie,
er hatte auch die Angewohnheit, Wortsammlungen für seine persönlichen Wörterbücher zusammenzustellen, die sich jeweils einem bestimmten Gebiet widmeten. Ich erinnere mich an ein Europäisches Wörterbuch, ein Ekklesiastisches und ein Erziehungswissenschaftliches – das war richtig lustig. Aber eines davon festigte wirklich seinen Status in der intellektuellen Welt der Jugendlichen, und das war sein Erotisches Wörterbuch. Er hatte, soweit ich mich erinnere, über hundert Wörter, die sich auf die weiblichen Genitalien bezogen. Ich weiß nicht, ob das ein richtiges oder ein frei erfundenes Wort war, aber wenn du je einen Mann meines Alters reden hörst, der vom Luder seiner Freundin spricht, dann weißt du, daß es ein alter Unthinkable ist.«
    »E«, bemerkte Wield.
    »E?« fragte Wingate.
    »Alle Beispiele, die Sie genannt haben, fangen mit E an. Europäisch. Erziehungswissenschaftlich. Erotisch.«
    »Ach ja. Das gehörte auch zum Ulk. Es war unser Fachbereichsleiter für Englisch, der damit anfing, glaube ich. Er war der einzige Lehrer, der sich von Dees Spielchen nicht aus der Ruhe bringen ließ. Er spielte sogar mit und schaffte es oft, ihn zu übertrumpfen. Und er lenkte auch die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Dees Initialen. O.E. D. Und danach begann Dee, Worte mit E für die Titel seiner Sammlungen zu suchen, damit sie auch mit O.E. D. abzukürzen waren.
Wie Orson’s Erotic Dictionary.«
    »Und wo bleibt der Richard?« fragte Pascoe.
    »Wie bitte? Ach, Dick für Richard, meinst du? Nein, das war auch ein Scherz des Englischlehrers. Er nannte ihn Dictionary Dee, und der Name blieb an ihm hängen. Dick als Abkürzung für Dictionary.«
    »Verstehe«, sagte Pascoe. Ihm entging nicht, daß Dalziel schon wieder gähnte.
    »Also räumten Karl und Orson die Bühne für Charley und Dick, stimmt’s?«
    »Und für Johnny. Keiner kam mehr auf die Idee, ihn als Sinjon zu hänseln.«
    »Dann gehörten sie also dazu?«
    »Sie wurden akzeptiert, ohne eigentlich dazuzugehören«, erklärte Wingate. »Sie haben den Rest von uns nie vergessen lassen, wie wir sie früher behandelt hatten. Sie gaben eine Zeitschrift heraus,
The Skulker,
nur zwei Exemplare pro Ausgabe, eines behielten sie selbst, das andere verliehen sie gegen Gebühr. Es war ein echtes Samisdat-Machwerk, so haarsträubend subversiv, daß jeder es lesen wollte, obwohl wir nicht weniger auf die Schippe genommen wurden als die Lehrerschaft.«
    Pascoe erinnerte sich an seinen Besuch in Penns Wohnung und meinte: »›Lonesomes Lümmel‹, sagt dir das was?«
    Wingate sah ihn neugierig an: »Du hast aber gründlich recherchiert. Lonesome war Mr. Pine, der Vorsteher von Dacre House. Er war allgemein verhaßt.«
    »Dacre House … auch bekannt als Dog House?« vermutete Pascoe. »Und Lümmel? Laß mich raten. Eine

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