Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
lautlos wie ein Geist hereingeschwebt, der sich erst durch Kettenrasseln bemerkbar macht.
    »Wie?« Wingate fuhr erschrocken herum. Dann faßte er sich wieder und lächelte. »Superintendent, ich hatte Sie gar nicht gesehen. Ja, natürlich, Jax – Gott segne sie – hatte ihre eigenen Techniken.«
    »Ganz gewiß«, meinte Dalziel. »Ich möchte nicht stören, Pete, ich wollte Mr. Wingate nur fragen, ob seine Frau heute nachmittag zu Hause ist, weil ich mal auf ein Viertelstündchen bei ihr vorbeischauen wollte.«
    Daß Pascoe ebenso verwundert wirkte wie Wingate, war ja vielleicht nicht schlecht.
    »Moira? Aber warum wollen Sie denn mit Moira über Dee und Penn reden?« erkundigte sich Wingate.
    »Kein bestimmter Grund, weil ich das nicht vorhabe. Ich wollte mich ganz allgemein mit ihr unterhalten.«
    »Ja, aber warum?« beharrte Wingate, immer noch eher verwirrt als aggressiv.
    »Ich untersuche nicht nur einen Mordfall, Mr. Wingate«, erklärte Dalziel mit düsterer Miene, »sondern mehrere.«
    »Und was hat das mit ihr zu tun? Sie hatte mit keinem der Opfer irgendeine besondere Verbindung.«
    »Sie hat doch Jax Ripley gekannt, oder? Ich könnte mich mit ihr über Jax Ripley unterhalten und darüber, was sie so angestellt hat. Wahrscheinlich kann ich ihr da mehr erzählen als sie mir. Aber ich greife nach jedem Strohhalm, Mr. Wingate, und da könnte ich mich auch an Ihrer Frau festhalten, da es so aussieht, als gäbe es hier nichts, woran ich mich klammern kann. So ist es doch, Mr. Wingate?«
    Er verzog das Gesicht zu seinem berühmt-berüchtigten Lächeln und entblößte dabei ein Raubtiergebiß, das an die Zähne eines Baggers erinnerte, der im Begriff ist, einen Baum zu entwurzeln.
    Pascoe, der den Dicken und seine gewinnenden Wesenszüge schon lange kannte, hatte mit computerartiger Geschwindigkeit eine ganze Reihe von Szenarien geprüft und sich für das Einleuchtendste entschieden.
    Der Dicke wußte über Wingates Verhältnis mit Jax Ripley Bescheid und stellte ihn vor die schlichte Entscheidung, die alle Ermittler irgendwann einmal den Straffälligen anbieten – liefere andere an den Galgen, oder du bist geliefert.
    Wingates Verstand arbeitete genauso schnell oder sogar noch schneller, da er reagieren mußte. Nicht, daß er eine echte Alternative gehabt hätte.
    Er gab sofort klein bei, aber der Gerechtigkeit halber muß man sagen, daß er nicht stillos einknickte. Er drehte sich einfach wieder zu Pascoe um und sagte liebenswürdig: »Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, du hattest mich nach meiner Schulzeit gefragt. Nach Dee und Penn. Mal sehen, woran ich mich noch erinnere …«
     
    Es war keine besonders erbauliche Geschichte, aber Geschichten von Schuljungen sind ja selten erbaulich.
    Penn und Dee waren am selben Tag am Unthank eingetroffen, ohne sich vorher zu kennen. Rasch aber fanden sie durch ein gemeinsames Interesse zusammen, und das bestand darin zu überleben. Anders als die Mehrzahl der Schüler, deren Eltern das Schulgeld bezahlen, waren sie Stipendiaten und wurden von den anderen als Bettelsäcke bezeichnet. Das College vergab als Gegenleistung für eine minimale Unterstützung durch die öffentliche Hand drei bis vier Freiplätze an Sprößlinge aus dem Volk.
    Schulkinder suchen sich gerne Opfer – die starken, um ein legitimes Ventil für ihre Kräfte zu haben, die schwachen, um die Aufmerksamkeit von sich selbst abzulenken.
    Die meisten Opfer, so Wingate, wurden nach Jahrgang ermittelt, die Bettelsäcke der ersten Klasse hatten unter den Tyrannen der ersten Klasse zu leiden und so fort. Aber manche wurden zur Zielscheibe für alle, in der Regel, weil sie ein besonderes Merkmal hatten, wie Hautfarbe oder einen Sprachfehler.
    »Penn wurde aufs Korn genommen, als wir spitzkriegten, daß er Deutscher war«, berichtete Wingate. »Sein Vorname war Karl, und nicht Charles, was an sich schon verdächtig erschien. Dann sah jemand seine Mutter, als sie ihn in der Schule besuchte, eine kräftige, hellblonde Dame, die mit starkem deutschen Akzent sprach. Bald fanden wir heraus, daß sein Vater eigentlich Penck hieß, Ludwig Penck, aber bei der Einbürgerung den Namen Penn angenommen hatte. Später erfuhr ich, daß sie kurz vor dem Mauerbau aus Ostberlin geflüchtet und nach Großbritannien gekommen waren, weil Penck hier einen Onkel hatte, der nach der Kriegsgefangenschaft in Yorkshire geblieben war. Penck wäre wohl nach Westdeutschland zurückgeschickt worden, aber sein Onkel arbeitete

Weitere Kostenlose Bücher