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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sich die Geistesverfassung eines Menschen nicht an seinem Gesicht ablesen läßt, hatte Hat während seiner Studien in den offiziellen Verbrecherkarteien den Eindruck gewonnen, daß viele der Visagen, die ihn dort anstarrten, unverkennbar kriminelle Züge trugen. Aber dieser heiter-gelassene ältere Herr hätte für den freundlichen Opa in Bilderbüchern Modell stehen können.
    »Und was ist dann aus ihm geworden?«
    »Ach, er ist nach Amerika zurückgekehrt und dort gestorben«, erwiderte Rye.
    »Da lassen Sie aber das Beste aus«, bemerkte ein Neuankömmling. »Genau wie der arme Minor.«
    Sie drehten sich zur Tür um, wo Charley Penn gleichsam aus dem Nichts aufgetaucht war – wie Loki, der listenreiche Unhold unter den Asen – und sardonisch lächelnd seine ungleichmäßigen Zähne bleckte.
    Wie lange hat er wohl schon gelauscht? fragte sich Hat.
    »Was kann ich für Sie tun, Mr. Penn?« erkundigte sich Rye mit so frostiger Stimme, daß eine früherblühte Primel erfroren wäre.
    »Ich bin nur auf der Suche nach Dick.«
    »Er ist im Untergeschoß. Sie arbeiten an der Römischen Erlebniswelt.«
    »Natürlich.
Per Ardua ad Asda,
könnte man sagen. Ich geh’ mal runter und schau’ mir den Spaß an. Schönen Tag noch, Mr. Bowler.«
    »Ihnen auch«, erwiderte Hat, der darüber nachdachte, ob Penn wohl gern gefragt worden wäre, was Rye ausgelassen hatte. Oder hatte er die Frage nur in den Raum stellen wollen, damit Hat sie nachher aufgriff.
    Er faßte einen Entschluß und rief dem Schriftsteller nach: »Und was war das Beste, das ich nicht gehört habe?«
    Penn blieb stehen und drehte sich um.
    »Was? Ach ja, bei Minor, meinen Sie? Nun ja, anscheinend hatte der Ärmste trotz seiner fortgeschrittenen Jahre unaufhörlich erotische Tagträume von nackten jungen Frauen, die er mit seiner wachsenden Religiosität nicht vereinbaren konnte.«
    »Ja? Das soll ja bei älteren Männern häufiger vorkommen«, erwiderte Hat mit einer Schärfe, die ihm selbst übertrieben erschien.
    Aber Penn schien das nicht zu berühren.
    Im Gegenteil, er grinste boshaft und sagte: »Gewiß. Aber sie schleifen nicht alle ihr Federmesser und schneiden sich den Pimmel ab, oder? Schönen Tag noch.«

[home]
    Vierzig
    O Gott, diese Düfte, diese Düfte!« rief Ambrose Bird und hielt sich seine Adlernase zu. »Sie übertreiben es mit den Düften. Immer das gleiche.«
    »Düfte evozieren Erinnerungen, und zwar unmittelbarer als jede andere Sinneswahrnehmung«, gab Percy Follows zurück.
    »Tatsächlich? Und
evozieren,
wie du zweifellos aufgrund deiner tiefgründigen klassischen Bildung weißt, leitet sich aus dem lateinischen
evoco, evocare
ab, was soviel heißt wie ›hervorrufen‹. Aus dem Programm ersehe ich, daß einer dieser sogenannten Düfte von einer gegrillten Haselmaus herrühren soll. Auch wenn wir das Problem beiseite lassen, wo man in diesem ökologisch sensiblen Zeitalter eine Haselmaus zum Grillen herbekommt, stellt sich immer noch die Frage, was dieser Geruch denn eigentlich evozieren soll? Du kannst nichts hervorrufen, was nicht vorhanden ist. Was glaubst du wohl, wie viele unserer Besucher Erfahrungen mit dem Geruch gegrillter Haselmäuse mitbringen? Daher kann ein solcher Geruch wohl kaum latente Erinnerungen evozieren.
Sic probo

    »Offensichtlich hat das Varieté schon angefangen«, sagte Andy Dalziel.
    Dick Dee drehte sich um und lächelte.
    »Superintendent, Sie kommen ja wirklich auf leisen Sohlen. Aber solche Leichtfüßigkeit überrascht mich kaum, nachdem Sie sich letzten Samstag auf dem Regimentsball als würdiger Jünger der Terpsichore erwiesen haben.«
    Das war Geheimdienstarbeit erster Güte. Gut, er hatte Pascoe und Wield mit Andeutungen über seinen Tanzabend aufgezogen, aber sie hätten sich bestimmt schwergetan, herauszufinden, wo er steckte. Woher hatte also Dick Dee diese Information?
    Die Antwort lag auf der Hand.
    Charley Penn hatte offenbar nichts Eiligeres zu tun gehabt, als nach Haysgarth zu fahren und herauszufinden, wie Dalziel sein Alibi ausgehebelt hatte.
    »Sie sind gut informiert für einen Menschen, der nichts anderes tut, als die Nase in alte Bücher zu stecken. Und da wir gerade von alten Büchern reden, warum sind Sie eigentlich aus den luftigen Höhen des Geistes in diese Unterwelt abgestiegen? Sie sind wohl als Schiedsrichter gefragt?«
    Diese Unterwelt
war das Untergeschoß des Kulturzentrums, ursprünglich nur als Lager vorgesehen, bis man bei den Aushubarbeiten auf einen römischen

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