Die rätselhaften Worte
Spiegel vervielfältigt und durch eine vermutlich aus alten Sandalenfilmen zusammengeschnittene Videoprojektion angereichert wurde.
»Gut gemacht, oder?« bemerkte Dee.
»Eigentlich nicht«, fand Dalziel. »Dem Vergleich mit dem großen Bad unten im Rugby-Club hält es jedenfalls nicht stand.«
Auch das Angebot der Taberna konnte sich nicht mit dem Rugby-Club messen. Es gab gerade keine Bedienung, und wenn es eine gab, dann mußte man sich, wie Dee erklärte, zwischen einem süßen, mehr oder weniger authentischen Fruchtsaft und einer total anachronistischen Tasse Tee oder Kaffee entscheiden.
»Eine Konzession an Stadtrat Steel, dem man klarmachen mußte, daß das Projekt sich teilweise selbst finanzieren würde«, sagte Dee.
»Dann tut es Ihnen nicht leid, daß er aus dem Weg ist?« erkundigte sich Dalziel, als sie sich auf einer Marmorbank niederließen.
»Diese Frage würde ich als eine provokative Beleidigung auffassen, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß Sie die Absicht haben zu provozieren«, antwortete Dee. »Sie sollen aber auf jeden Fall wissen, Superintendent, daß Erfolg oder Scheitern dieses Projekts für mich wenig Bedeutung haben. Trotz des Bildungsanspruchs grenzt es für meinen Geschmack insgesamt an Kitsch. In der heutigen Zeit mit all den interaktiven, benutzerfreundlichen vollautomatisierten High-Tech-Ausstellungen überkommt mich nostalgische Sehnsucht nach dem Museum im alten Stil mit den modrigen Gerüchen und einer Atmosphäre ehrfürchtigen Schweigens. Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, und manchmal habe ich das Gefühl, wir besuchen sie wie Fußball-Hooligans auf Eintagestour und nicht wie ernsthafte Reisende. Wie steht’s mit Ihnen, Mr. Dalziel? Wie stehen Sie zur Vergangenheit?«
»Ich? Wenn Sie erst mal in meinem Alter sind, wollen Sie nicht allzu oft zurückblicken. Aber berufsbedingt verbringe ich dort ziemlich viel Zeit.«
»Aber doch bestimmt ohne das modische High-Tech-Gebaren der modernen Kulturindustrie?«
»Ach, keine Ahnung. Mögen Sie diese alte Science-fiction-Serie
Doctor Who?
Der Typ reist in einer Zeitmaschine herum, die von außen aussieht wie ein Polizeiauto. Größtenteils kompletter Quatsch, aber ich hatte immer das Gefühl, dieses Detail ist gut getroffen. Ein Polizeiauto. Genau das mache ich mit der Vergangenheit. Wie dieser Doctor Who verbringe ich viel Zeit auf Besuch in verflossenen Zeiten, wo die Schurken allerhand angestellt haben, um die Zukunft zu ändern, und mir ist es ziemlich egal, wie ich da hinkomme. Meine Aufgabe ist es, das soweit wie möglich wieder in Ordnung zu bringen, damit die Zukunft annähernd so aussieht, wie sie sollte.«
Dee sah ihn mit großen Augen an.
»Ein Timelord!« rief er. »Sie sehen sich als Timelord? Jaja, das verstehe ich. Jemand begeht einen Mord oder raubt eine Bank aus, weil er die Zukunft nach eigenen Vorstellungen verändern will, und zwar, um sich selbst und seinen Kumpanen ein besseres Leben zu sichern, stimmt’s? Aber wenn Sie die Täter aufspüren, stellen Sie soweit als möglich den Status quo wieder her. Nur wenn jemand ermordet wurde, können Sie ihn natürlich kaum wiederbeleben, nicht wahr?«
»Ich kann niemanden ins Leben zurückholen, das steht fest«, sagte Dalziel. »Aber ich kann dafür sorgen, daß andere weiterleben. Zum Beispiel dieser Wordman, wie viele hat der jetzt auf dem Gewissen? Angefangen mit Andrew Ainstable, wenn man unterlassene Hilfeleistung mitzählt, dann der junge David Pitman und Jax Ripley, und danach … wer kam dann?«
»Stadtrat Steel«, half ihm Dee auf die Sprünge. »Danach Sam Johnson und Geoff Pyke-Strengler.«
»Die gehen Ihnen aber leicht von der Zunge, Mr. Dee«, fand Dalziel.
»Oje. War das eine Falle? Wenn ja, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, Mr. Dalziel. Ich habe bis jetzt ganz brav meine Rolle in dieser Farce einer Zeugenvernehmung gespielt. Aber Ihr anhaltendes Interesse wirft für mich die Frage auf, ob es nicht an der Zeit ist, daß wir beide Farbe bekennen und zugeben, daß ich ein Verdächtiger bin.«
Sein Gesicht zeigte nun ein eifriges, geradezu kindliches Interesse.
»Möchten Sie das denn?« fragte Dalziel neugierig.
»Ich möchte Gelegenheit erhalten, von Ihrer Liste gestrichen zu werden – falls ich denn, wie ich befürchte, darauf stehe. Ist es so, Mr. Dalziel?«
»O ja«, erwiderte der Dicke lächelnd. »So wie Abou Ben Adhem.«
»Vielen Dank.« Dee erwiderte das Lächeln. »Dann versuchen wir einmal, eine Tatsache
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