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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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daß auch Rye die Hilfe einer Spiritistin in Anspruch genommen hatte (oder ähnlichen Quatsch, auf den manche junge Mädchen verfallen), wechselte er hastig das Thema. »Aber die Sache mit den Wörterbüchern war doch ein bißchen verrückt, findest du nicht?«
    »Eigentlich nicht«, erklärte sie. »Jeder, der Dick gut kennt, weiß über die Wörterbücher Bescheid. Und was seinen Namen betrifft, da hättest du nur im Wahlregister nachschlagen müssen. Oder in der Mitarbeiterliste der Stadt. Oder im Telefonbuch. Die Tatsache, daß er als Dick bekannt ist, hat nicht mehr zu sagen, als daß du Hat und ich Rye heiße.«
    »Ja, aber
Orson …«
    »Nicht schlimmer als Ethelbert. Oder Raina.«
    »Nein, ich meine Orson
Welles …«
    Sie sah ihn ratlos an, dann lächelte sie und lachte schließlich laut auf.
    »Das meinst du doch nicht im Ernst! Orson Welles …
Citizen Kane … rosebud!
Ich habe ja schon gehört, daß sich Ertrinkende an jeden Strohhalm klammern, aber das heißt ja, mit einem Sieb in See stechen. Wo führt denn das noch hin?
Im Zeichen des Bösen
vielleicht? Aber wenn ich mir deinen Mr. Dalziel anschaue, könnte da vielleicht was dran sein …«
    Er verstand die Anspielung nicht, verzichtete aber darauf, dieses Thema zu vertiefen.
    »Du hast also über Dees Wörterbücher Bescheid gewußt?« erkundigte er sich.
    »Ja. Ein paar habe ich sogar gesehen.«
    Er dachte sofort an das Erotische Wörterbuch, das Wingate erwähnt hatte, und fragte eifersüchtig: »Welche denn?«
    »Da kann ich mich wirklich nicht erinnern. Ist es wichtig?«
    »Nein. Wo hast du sie gesehen? Hier?«
    Er ließ den Blick suchend durchs Büro schweifen. »Nein. In seiner Wohnung.«
    »Du warst in seiner Wohnung?«
    »Gibt es einen Grund, warum ich ihn nicht besuchen sollte?«
    »Nein. Natürlich nicht. Ich habe mich nur gefragt, wie es dort aussieht.«
    Sie lächelte. »Ganz normal. Nur ein bißchen eng, aber das liegt wahrscheinlich daran, daß in jedem Winkel Wörterbücher stehen.«
    »Wirklich?« erkundigte er sich eifrig.
    »Ja, wirklich. Nicht, weil er eine Zwangsneurose hätte oder sonst gestört wäre, sondern weil sie im Mittelpunkt seines intellektuellen Lebens stehen. Er schreibt ein Buch darüber, eine Geschichte der Wörterbücher. Wahrscheinlich wird es
das
Standardwerk sein, sobald es erschienen ist.«
    Offenbar war sie sehr stolz auf Dee. »Und wann ist damit zu rechnen?«
    »In vier, fünf Jahren, würde ich sagen.«
    »Halb so schlimm«, meinte Hat. »Wahrscheinlich hätte ich sowieso auf den Film gewartet. Oder vielleicht auf das Denkmal.«
    Er lehnte sich zurück, nippte an seinem Kaffee und betrachtete die Bilder, die an der Wand hingen. Wieder fiel ihm auf, daß sie ausschließlich Männer zeigten. Aber er verkniff sich auch eine sachliche Bemerkung dazu. Bisher hatte jede Andeutung, daß Dee zum Kreis der Verdächtigen gehören könne, wütende Empörung ausgelöst. Die vernünftige Art, wie sie heute seine Argumente zerpflückte, war eher ein liebevolles Geplänkel, was wohl bedeutete, daß er in seinem Liebeswerben Fortschritte machte. Auf keinen Fall würde er sie durch eine Spöttelei gefährden, die man als schwulenfeindlich deuten konnte!
    Statt dessen sagte er: »Ist das Dees Ahnengalerie?«
    »Nein. Soviel ich weiß, sind das alles berühmte Herausgeber oder Mitverfasser von Wörterbüchern. Der hier heißt Nathaniel Bailey, glaube ich. Noah Webster. Dr. Johnson, natürlich. Und dieser könnte für einen Mann aus deinem Metier interessant sein.«
    Sie deutete auf das größte Bild, das unmittelbar vor dem Schreibtisch hing, ein sepiabraunes Foto eines bärtigen Mannes, der mit einem Buch auf den Knien an einem Küchentisch saß und mit seiner schirmlosen Mütze an einen russischen Flüchtling erinnerte.
    »Und warum?«
    »Er hieß William Minor, war amerikanischer Arzt und hat mit seinen Beispielen zur frühen Wortverwendung einen wesentlichen Beitrag zu einem Werk geleistet, das als das Oxford English Dictionary bekannt wurde.«
    »Faszinierend«, meinte Hat. »Und welches Ruhmesblatt hat er in der Polizeigeschichte bekleckert? Hat er etwa die erste Nennung des Wortes ›Bulle‹ entdeckt?«
    »Nein, wohl kaum. Aber er hat annähernd vierzig Jahre lang, die Jahre, in denen er seine Beiträge zum OED geliefert hat, wegen Mordes in Broadmoor gesessen.«
    »Gütiger Gott.« Hat betrachtete die Fotografie mit neuerwachtem Interesse.
    Im Widerspruch zu der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis, daß

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