Die rätselhaften Worte
Sie würden es wahrheitsgemäß beantworten. Haben Sie ein Problem damit?«
»Nur ein intellektuelles. Soweit ich weiß, gibt es bei diesen Morden keine sexuelle Komponente. Also frage ich mich, warum Sie sich so lebhaft für meine Sexualität interessieren.«
»Wer sagt eigentlich, daß es keine sexuelle Komponente gibt?«
»Sie erinnern sich vielleicht, daß ich drei der fünf Dialoge gelesen habe, also konnte ich mir ein eigenes Urteil bilden. Nur eine Frau wurde ermordet, und bei der Lektüre dieser Episode konnte ich nichts entdecken, was auf ein sexuelles Motiv hingewiesen hätte. Man könnte eher sagen, daß die ganze Begebenheit eine nahezu sexuell sterile Atmosphäre ausstrahlt.«
»Das hört sich an, als wollten Sie sich verteidigen.«
»Tatsächlich? Ah, ich verstehe. Sie wollen mich wieder provozieren. Wenn ich der Wordman bin und meine Motive vollkommen asexuell sind, dann könnten all diese Fragen über mein Sexualleben Empörung darüber auslösen, so grob mißverstanden zu werden – hatten Sie das im Kopf?«
»Empörung, wie Sie sie gerade gezeigt haben, meinen Sie?«
»Da ich nicht der Wordman bin, könnte ich das nicht so präzise ausdrücken. Aber ich muß sagen, beim Lesen habe ich den Eindruck gewonnen, daß es sich um einen klugen Kopf handelt, der Ihre kleine List früher durchschaut hätte als ich und sich nicht hätte provozieren lassen.«
»Vielleicht ist er auch so klug, daß er sich etwas weniger klug anstellt, als er wirklich ist.«
»Das wäre aber nun wirklich gerissen. Aber gewiß würde ein solcher Ausbund an Klugheit sich doch niemals in Ihre Gewalt begeben und ein Verhör über sich ergehen lassen?«
»Passen Sie auf, was Sie gerade gesagt haben, Mr. Dee.
In Ihre Gewalt begeben.
Ich habe das Gefühl, der Kerl, den ich mir vorstelle, würde es sogar genießen, ein Plauderstündchen mit dem Feind zu halten und ihn dabei in die Tasche zu stecken.«
»Dafür bräuchte er aber eine große Tasche. Ich spreche natürlich metaphorisch. Verzeihen Sie, wenn ich einen allzu vertraulichen Ton anschlage, aber ich habe das Gefühl, daß jeder, der Sie in die Tasche stecken möchte, Mr. Dalziel, sich übernimmt. Aber welchen Erfolg haben denn meine kümmerlichen Bemühungen, Sie davon zu überzeugen, daß ich nicht der bin, den Sie suchen? Ich muß gestehen, allmählich verlassen mich meine Kräfte.«
Mit einer kleinen Pantomime demonstrierte er Erschöpfung, und wie aus Mitgefühl erloschen alle Lichter, und das Stimmengewirr der Klangeffekte, die das Gespräch untermalt hatten, verstummte.
Das Schweigen währte aber nicht lange. Bird und Follows erhoben einträchtig ihre Stimmen und verlangten zu wissen, was zum Teufel da passiert sei. Dann stimmten sie ein kontrapunktisches Duett an, in dem beide versuchten, die Schuld dem anderen in die Schuhe zu schieben.
Dalziel und Dee fanden tastend aus der finsteren Taberna hinaus auf den Marktplatz, wo Leute mit Zündhölzern oder Taschenlampen für trübes Licht sorgten. Die Tür des
calidarium
öffnete sich, und heraus trat ein Mann in Badehosen, triefend naß, gefolgt von einer Dampfwolke.
»Auftritt Dagon, untere Bühne links«, murmelte Dee.
»Was, zum Teufel, ist hier los?« bellte der Mann ärgerlich. »Da drinnen ist was Elektrisches explodiert, und ich sitze bis übern Arsch in dem Scheißwasser!«
Da hat er allen Grund, sich aufzuregen, dachte Dalziel, als er zum Zentrum des Markts vorstieß, wo sich Bird und Follows aufgebaut hatten. Unterwegs stieß er sich die Zehen an verschiedenen Gegenständen, die er energisch beiseite kickte.
»Wer ist hier zuständig?« fragte er.
Ausnahmsweise war keiner der beiden darauf erpicht, sich in den Vordergrund zu spielen.
»Dann sage ich euch beiden jetzt mal was – sorgt dafür, daß der Fehler behoben wird, andernfalls sorge ich dafür, daß die Feuerwehr die Ausstellung dichtmacht, und zwar auf Dauer. Der arme Schlucker im Bad hätte einen tödlichen Stromschlag abbekommen können. Und warum ist es eigentlich stockfinster? Stellt euch vor, das passiert, wenn ein paar Dutzend Leute hier unten rumschwirren, darunter jede Menge Kinder! Habt ihr eigentlich kein Notstromaggregat, um Gottes willen? Bringt das schnellstens in Ordnung, oder ich werde mal in meinem dicken Buch nachschlagen, weshalb ich euch noch hinter Schloß und Riegel bringen könnte. Und wenn ich kein ernsthaftes Delikt finde, dann hau’ ich euch vielleicht einfach das Buch um die Ohren!«
Damit stapfte er davon.
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