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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Wasser. Kein Vogel war zu sehen.
    Der Gedanke an Vögel brachte sie wieder auf Hat. Der süße kleine Hat, so wissend unschuldig und so unschuldig wissend. Er brauchte von Dick nichts zu erfahren. Allerdings gab es ja Männer, die für solche Dinge ein Gefühl hatten, nicht anders als Frauen. Und wenn Charley Penn es mitbekam, würde er es Hat ganz bestimmt unter die Nase reiben.
    War es schon zu spät, nein zu sagen? Das war eine Frage des Standpunkts. Eine Frau hatte das Recht, zu jeder Zeit, in jedem Moment nein zu sagen; so war es richtig, und so mußte es sein. Aber nackt hier zu stehen, wenn Dick zurückkam, das war ein lautes JA ! Die meisten Männer würden in einer solchen Situation ein gesprochenes »Nein« schlicht überhören.
    Um Himmels willen, wenn du nein sagen willst, dann zieh dich wieder an,
ermahnte sie sich.
    Zu spät. Sie hörte, wie die Tür hinter ihr aufging.
    Dann soll es wohl so sein, dachte sie und empfand dabei höchstens eine Spur von Bedauern. Nimm es dir!
    Wie zur Bestätigung ihrer Entscheidung sah sie, wie ein schwacher Lichtschein durch den Dunst brach, der das andere Ufer des Sees verhüllte. Die untergehende Sonne zeigt sich, um unseren Bund zu besiegeln, dachte sie halb im Scherz.
    Nur, daß es natürlich schon später Nachmittag war und sie nach Osten, nicht nach Westen blickte.
    Außerdem geht die Sonne unter, sie kommt nicht auf einen zugerast!
    So viel zum freien Willen und zur unabhängigen Entscheidung. Kaum hat man einmal eine Richtung eingeschlagen, da hüstelt einem schon das Schicksal ins Ohr und treibt einen in die andere.
    Mittlerweile war es klar, daß der Lichtschimmer von den Scheinwerfern eines Autos verursacht wurde, das munter auf dem Pfad entlangholperte, der um den See herum zum Cottage führte. Und es war auch etwas zu hören, eine ununterbrochen tönende Hupe, als ob der Neuankömmling sich verzweifelt anzukündigen versuchte. Schließlich erkannte sie sogar aus dieser Entfernung Hats Sportwagen. Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, rumpelte und holperte er über Stock und Stein. Welche verzweifelte Mission veranlaßte Hat, seinen geliebten MG so zu schinden?
    Was immer er auch wollte, es bedeutete, daß das versprochene Vergnügen ausfallen oder zumindest verschoben werden mußte.
    Sie bereitete sich darauf vor, ein bedauerndes Gesicht aufzusetzen, und wandte sich vom Fenster ab, um ihre Kleider einzusammeln und sich wieder anzuziehen.
    Aber was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
    Dort stand Dee. Er war in den Raum getreten und stand mit den Füßen auf dem Spielbrett. Auch er war nackt. Er hatte die Arme ausgebreitet, in der Linken hielt er etwas, das sie nicht beachtete, denn in seiner Rechten sah sie ein langes, dünnes Messer. Sie konnte nicht anders, ihr Blick glitt über seinen Bauch zu seinem Schoß, wo sich sein steifer Schwanz aus einem Gekräusel von blondem Haar erhob.
    Die Hupe ertönte nun noch lauter, das Licht der Scheinwerfer mußte durch die schmutzigen Fensterscheiben hinter ihr fallen. Hat war so gut wie da, aber doch zu spät. Wie gebannt starrte sie auf die Gestalt, die drohend vor ihr aufragte, und wußte ganz genau, daß er zu spät kommen würde.
     
    Der MG kam bis auf etwa fünfzig Meter an das Cottage heran, wo er in ein Schlagloch knallte, das selbst für diese stramme Federung zu tief war. Der Motor tat seinen letzten Seufzer und gab den Geist auf. Doch Stille trat damit nicht ein.
    Hat, der aus dem Sitz hechtete, hörte gellende Schreie.
    Er brüllte, was, wußte er selbst nicht, und stürmte auf das Cottage zu, in dessen Fenstern wie im Höllenrachen eines Mirakelspiels, unheilvolles, glühendrotes Licht flackerte.
    Hinter ihm näherten sich weitere Lichter und das eulenartige Gekreisch einer Sirene dem See. Hilfe war unterwegs, doch für Hat war diese Hilfe so bedeutungslos wie Gebete für einen Toten und die Tröstungen der Religion. Schrei weiter! dachte er. Schrei weiter! Diese Schreie waren das Furchtbarste, was er je gehört hatte, aber solange er sie hören konnte, wußte er, daß Rye noch am Leben war.
    Durch die verschmierte Scheibe sah er zwei Personen, die miteinander rangen, und eine hocherhobene Hand mit einem langen, schmalen Messer, das rot aufblitzte …
    Er rannte um das Haus herum, sprengte die Tür auf, als wäre sie aus Sperrholz, und tauchte in den Höllenrachen ein.
    Im gespenstisch flackernden Schein des lodernden Feuers kämpften die beiden Gestalten mitten im Raum. Sie hatten sich

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