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Die Rättin

Die Rättin

Titel: Die Rättin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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ist mal glatt und mal kraus und nicht mehr von Staubstürmen verdunkelt. Sie glitzert verjüngt und riecht womöglich, wie sie roch, als ich Kind war und Sommer für Sommer...
Mag sein, daß die See neu ist, aufatmet, sich belebt und neuerdings von Plankton, Heringslarven, Ohrenquallen, fremdartigen Fischen bewohnt wird, solchen, die landgängig werden eines Tages. Mag sein, daß sich zutiefst in der See, wie ihr Ratten aus Löchern, der Butt aus seinem Sandbett hebt. Mag sein, daß was kommt. Das Wrack jedoch ist nur übriggeblieben. Leblos treibt es. Allerdings immer auf östlichem Kurs, selbst bei gegenläufiger Strömung.
Nachdenken solle ich, hat mir die Rättin geraten. Erinnere dich, rief sie, was kurz vor Ultimo auf Gotland geschah, als deine Weiber in Visby von Bord gingen! Ziemlich unternehmugslustig zu fünft. Ihr überbetonter Seemannsgang. Nun mach schon, Freundchen. Erinnere dich!
Anfangs wollte die Zierlichste unter den Weibern, die Alte, die Graue, die immer kochte, den Abwasch machte und wegräumte immerzu, die Bordwache übernehmen. Aber dann
ja, ich erinnere mich galt Landgang für alle. Dieses Ruinenmuseum mit Touristenbetrieb wollten sie unsicher machen. Was heißt unsicher! Paar Einkäufe anfangs: schwedische Tiefkühlkost. Nirgendwo war Aquavit aufzutreiben. Dafür überall Umzüge. Die damals üblichen Proteste. Na, gegen dies und das und für den Frieden. Ganz junge und ziemlich alte Gotländer in Turnschuhen und Gummistiefeln unterwegs. Regnete es? Es nieselte. War ja ein mieser Sommer. Aber alle friedlich hinter gemalten Sprüchen. Gut eingeübt und geradezu verschlafen latschten die Gotländer durch die Stadt. Die waren gegen alles, was auf Transparenten und Bauchplakaten gefährlich genannt wurde. Jadoch, Rättin, ich will mich erinnern, was kurz vor Ultimo aktuell war. Also die Ölpest und die Verelendung überall, das Wettrüsten und Waldsterben auch. Sagte ich schon: gegen dies und das. Und für Jesus waren einige. Ach ja, das auch noch: eine Gruppe war gegen Tierversuche.
Na also! sagte die Rättin, endlich. Und was geschah dann? Liefen die einfach nur rum?
Mit diesem nicht besonders langen Umzug, der außer Transparenten überlebensgroße Attrappen vor sich hertrug, die handgemalt Hunde und Rhesusaffen darstellten einige trugen Mäuseoder Rattenmasken sogar -, liefen meine fünf Frauen mit, die sich für den Landgang piekfein gemacht hatten: Die eine trug lang was Goldgelbes, die andere lief unterm Turban in Pluderhosen, die dritte im Schwarzseidenen...
Die Rättin mahnte, bei der Sache zu bleiben. Als ich mich über die Frauen lustig machte, sie hätten gestern noch Ohrenquallen an Bord geholt und vermessen, wären dann aber mit den Tierschützern läufig geworden, unterbrach sie abermals meinen, ins Private abgleitenden Bericht.
Das interessiert nicht! rief sie. Keine Weibergeschichten, nur was in Visby geschah, kann heute noch interessieren. Naja. Es kam zum Krawall. Am Stadtrand, vor einem Forschungsinstitut. War eine Außenstelle von Uppsala. Ich glaube nicht, daß jemand von den gotländischen Leutchen, jung oder alt, angefangen hat. Wahrscheinlich hat die Maschinistin oder die Alte den ersten Stein. Und dann legte die Steuermännin los. Jedenfalls war Damroka, die sonst immer die Langsamste war, als Erste in dem Kasten drin. Die anderen Frauen, jetzt auch die Gotländer hinterdrein. Später hieß es, sie hätten wie die Wandalen. Und zwar in den Laboratorien ziemlich teures Zeug kurz und klein. Dann aber ruckzuck die Käfige auf. Ein Affe soll, als er befreit wurde, eine schwedische Bibliothekarin gebissen haben, was Folgen hatte, weil der Affe...
Nicht abschweifen! Weiter, weiter! forderte mich die Rättin. Kaninchen und Hunde, alle Rhesusaffen und Meerschweinchen, sogar einige Mäuse hat man später eingefangen. Die Frauen sind natürlich zurück an Bord, als mit Blaulicht die Polizei kam. Gleich darauf Leinen los und ab nach Vineta. Man wollte sich Ärger ersparen. Es sollen nämlich zwei Dutzend Ratten, besonders interessante, hieß es, entkommen und zuletzt von einem finnischen Matrosen, der aber besoffen war, zwischen den Hafenanlagen gesehen worden sein... Da haben wir's! rief die Rättin und hielt die Witterhaare steil. Dann forderte sie mich auf, das treibende Wrack weiterhin zu beobachten. Lange sei es verschollen gewesen. Sogar mir, dem Mann mit Überblick, habe es sich entzogen. Du erinnerst dich, Freundchen, wie dick nach dem Großen Knall rußgesättigter Rauch

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