Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rättin

Die Rättin

Titel: Die Rättin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
Vom Netzwerk:
Tüten, denn viele Streuselund Mohnkuchen sollen gebacken werden. Jetzt schon kocht Schweinekopfsülze, bis sie verspricht, aus eigener Kraft zu gelieren. Einmachgläser voller Pilze vom letzten Herbst werden gezählt, darunter immer leicht sandige Grünlinge. Jemand bringt Kümmel genug für den Krautsalat. Auf Wunsch von weither wird Griebenschmalz ausgelassen. Aus Kaschemken und Kokoschken, von überall kommen Eier zusammen. Die Sorge, daß auch genug Pfingstrosen schnittreif sind. Mit Hilfe der Kirche werden hundertsieben Kerzen vorrätig sein. Noch fehlt in Flaschen Kartoffelschnaps. Zum Maler Malskat kann ich nur soviel sagen: Ich werde, sobald es die Rättin erlaubt, von ihm Bericht geben. Wann und wo er geboren wurde. In welche Lehre er ging. Wohin seine Wanderjahre ihn führten. Was ihn auf hohem Gerüst so gotisch träumen ließ. Weshalb man ihm in Lübeck, einer Stadt, die nicht nur durch Marzipan berühmt wurde, den Prozeß gemacht hat.
Vielleicht sollte ich, solange Hänsel und Gretel immer noch durch den toten Wald laufen, den Stadtbummel der Frauen nachtragen. Nur zu viert sind sie auf Landgang. Die Alte sagt, sie müsse Rotkohl vorkochen.
Da Stege auf Møn vor allem ein Einkaufszentrum ist, in dessen Hauptstraße das ganze Jahr über »Udsalg« angezeigt bleibt, kaufen die Frauen groß ein. In einem Selbstbedienungsladen, der »Irma« heißt, packen sie drei Gitterwagen voll: Büchsen und Gläser, in Folie verpacktes Obst und Gemüse, Fleisch eingeschweißt und tiefgefroren, diverse Sorten Knäckebrot, Hüttenkäse, Remoulade, Popcorn für die Meereskundlerin, dies und das noch, Spülmittel, Klopapier, viel Flaschenbier und zwei Flaschen Aquavit für die Alte. Petersilie und Schnittlauch sind frisch vorrätig. Schwerbepackt müssen sie schleppen. Beim Bäcker gibt's Kringle, im Fischhandel grüne Heringe, im Tabakladen Zeitungen und was jede so raucht.
Beim zweiten Landgang kommt die Alte mit. Während die Maschinistin Maschinenöl und Petroleum für die Lampen kauft, die Meereskundlerin zur Post rennt und die Steuermännin, weil ja überall Ausverkauf ist, nach Pullis wühlt, kauft Damroka in einem Wolladen, schräg gegenüber Møns Banken, neue Vorräte Wolle ein. Die Alte kauft sich ein Tütchen Lakritze.
Erst jetzt, Rättlein, nachdem alles in der Kombüse, im Vorschiff und mittschiffs verpackt ist, hören wir wieder Drittes Programm. Lautenmusik, der gewöhnlich Nachrichten folgen: mal hören, wer was dementiert...
    Mir träumte, ich hätte mich zur Ruhe gesetzt und meine Malven stünden hoch vor den Fenstern.

    Freunde kamen vorbei und sagten über den Zaun: Wie gut, daß du dich endlich zur Ruhe gesetzt hast.

    Und auch ich sagte in meiner Kürbislaube zu mir: endlich habe ich mich zur Ruhe gesetzt.

    So, geruhsam betrachtet,

    ist mir die Welt mein Grundstück groß.

    Was mich juckt, darf nicht jucken, weil ich zur Ruhe gesetzt mich habe.

    Alles hat seinen Platz, wird Erinnerung, staubt ein, ruht in sich.

Zöge ich Bilanz,

    hieße mein Ruhestand wohlverdient.
    Ach, träumte mir, spräche nichts drein, säße ich glücklich ohne Bedarf. Könnte doch sie Rättin, ich bitte dich! auch zur Ruhe sich setzen.
    Mit ihr kommt Heißhunger auf,

    der läufig macht zwischen Tisch und Bett.

    Da sprang ich, auf daß sie Ruhe gäbe, mutwillig über den Zaun.

    Beide sind wir nun auf dem Strich und die Freunde in Sorge.
    Oxtemosch schemmech dosch taram! rief sie. Was heißen sollte: Die Angst machte uns Beine. Dann korrigierte sie sich: Man habe nicht hastig sein müssen. Ein Rest Zeit sei vorrätig gewesen, denn die humanen Endspielprogramme wären elegisch gedehnt inszeniert worden; viel Theaterpomp, als hätte man, wenn schon, in Schönheit sterben wollen.
Gelassen gab die Rättin Bericht: Bevor wir uns eingruben, verlagerten wir unsere Zuwächse, indem wir Zielgebiete für Erstschläge, das Rhein-Main-Gebiet etwa, den sächsischen Ballungsraum, die schwäbischen Basen räumten. Aber auch großräumig siedelten wir Überschüsse aus Milano und Paris in die Innerschweiz um. Täler in Österreich boten sich an. Diese neue Raumordnung war lange schon überfällig gewesen. Und da es in Polen wieder mal mangelte und Hilfe vonnöten war, sorgten nicht nur die Menschen, sondern auch wir sie per Post mit Freßpaketen, wir über die sogenannte Landrattenbrücke für Nahrung aus westlichem Überfluß, so daß es den Menschen und Ratten in Polen bald weniger mangelte; obendrein gelang es, mit den Naturalien

Weitere Kostenlose Bücher