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Die Rättin

Die Rättin

Titel: Die Rättin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Deshalb bis zum Schluß: Das sind Ratten! Die haben, die sind! Eindeutig Ratten, verdammt! Und zwar in allen Computersystemen, beim Russen, beim Ami auch. Bis es aus war mit ihnen, schoben sie kindisch die Schuld auf uns. Nie hatte ich die Rättin, von der mir träumt, so außer sich von Bild zu Bild springen sehen: hier auf der Lauer, dort bissig aufgesteilt, jetzt wie vom Drehtanz besessen. Warum lachte sie nicht wie vorhin? Warum ließ sie nicht ihren Witz an mir, ihrem Wetzstein, aus ? Lächerlicher als ich in meiner Raumkapsel konnte ihr niemand sein. Rättin, rief ich, lach doch darüber! Sie blieb bitter, erklärte sich wiederholt, wollte schuldlos sein, freigesprochen werden. Genaue Beweisführung verlangte sie nachträglich. Mich, als hätte ich irgend etwas veranlassen oder verhindern können, fragte sie als letzte Instanz: Weshalb hat man in beiden Computerzentralen die gefundene Losung sofort und wie blindlings Rattenköttel genannt? Warum wurde keine Untersuchung der Exkremente angeordnet? Wieso sind als Auslöser der Endspielprogramme keine anderen Nager denkbar gewesen? Eure niedlichen Goldhamster etwa? Oder kann es nicht, was nahe liegt, Mäusedreck gewesen sein, den man fand? Warum müssen wir, immer wieder wir es gewesen sein?
Ich gab mich empört, sprach von blockübergreifender Schlamperei, nannte es einen Skandal, daß kein Ami, kein Russe den Dreck unter die Lupe genommen hätte, dachte aber unterschwellig: Ist doch klar, daß nur Ratten. Wer sonst als Ratten könnte so zielstrebig...
Nur noch halblaut, als sei ihre Wut vertan, hörte ich sie: Immer wieder wurde das Ergebnis unserer angeblichen Wühlarbeit in die Welt posaunt, solange sie noch Ohren hatte: Unkorrigierbare Durchführung der Programme »Frieden machen« und »Völkerfriede« bis zur Letztstufe durch fremdbestimmte Kräfte ausgelöst. Ende der Durchsage!
Nun nicht mehr sprunghaft im Bild, vielmehr ruhend in sich, die Witterhaare außer Aktion, sagte die Rättin: Wir wissen, daß es Mäuse gewesen sind. Nicht etwa aus eigenem Antriebdafür sind Mäuse zu dumm -, nach menschlichem Plan wurden sie tätigMit Hilfe abgerichteter Mäuse sollten die Befehlscomputer der Schutzmächte lahmgelegt werden, damit jeweils die eine die andere Macht auf Null hätte bringen können. Ein schlauer Plan.
Es sind Labormäuse gewesen, weiße mit roten Augen. Das wissen wir von unseren Laborratten, die zwar auch nicht die klügsten, aber immerhin zuverlässig waren. Nach jahrelangen Testversuchen gelang es, Würfe heranzuzüchten, die auf vorprogrammierte Arbeit trainiert waren und funktionierten, als hätte man sie mit Silizium gefüttert. Natürlich haben Gentechniker ihr Scherflein beigetragen. Jedenfalls verstanden es die Sicherheitsorgane beider Schutzmächte, diese Spezialmäuse gleichzeitig, als folgten sie einem Impuls, beim Feind einzuschleusen. Wie man sehen konnte, wurde verdammt gute Arbeit geleistet; wenngleich dieses Lob eingeschränkt werden muß, betrifft es doch nur das sensible Plazieren programmierter Mäuse. Nachdenklich fügte die Rättin hinzu: Falschprogrammierter muß man wohl sagen, denn die Computersysteme wurden nicht lahmgelegt, vielmehr haben die Mäuse, dumm wie Mäuse nun einmal sind, in beiden Zentren gleichzeitig den Countdown ausgelöst oder sagen wir fortan: den Großen Knall. Aber Rättin, rief ich, das ist ja eigentlich komisch!
Gewissermaßen schon, sagte sie, sobald man nur an die dummen Mäuslein denkt.
Ich finde, sagte ich, daß die Feststellung: Mäuse im Computer! viel plausibler ist und auch hübscher klingt als die bösartige Unterstellung: Ratten!
Jaja, stimmte sie mir zu, nun wieder heiter, wenn auch nachdenklich gedämpft: Im Grunde sollte uns dieser finale Treppenwitz lustig machen. Bei aller Tragik, ist es nicht albern und einleuchtend zugleich, daß es Mäuse, niedliche Labormäuslein gewesen sind, die dem stolzen und herrlichen, dem vielvermögenden Menschengeschlecht das Ende bereitet haben. Gewiß, das alles hört sich frivol an. Niemand, der auf sich hält, möchte so banal ins Aus geführt werden.
Mir war, als grübelte die Rättin.
Sprich nur! rief ich.
Es fehlt ein gewisses Etwas.
Ja! rief ich, die Perspektive!
Sie sagte: Wie ein gedankenloses Versehen, wie menschenüblicher Pfusch mutet das Ganze an.
Ich bestätigte: Eine erbärmliche Panne.
Deshalb meine ich, sagte die Rättin, ist der erste Verdacht, der sich auf Rattenköttel stützte und logisch den Ruf: Ratten im Computer! zur Folge hatte,

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