Die Rättin
nassauischer Taler wägen, und es rührt uns zu sehen, wie schwer ihm der Abschied vom Gold fällt, denn etliche Stücke bettet er in Schubladen eines Kästchens auf Sammet, etwa den bayrischen Maxdor, den kostbaren Danziger Sigismund August Dukaten aus dem Jahr 1555, einige Dekadrachmen aus Thrakien und jene frischgeprägte chinesische Goldmünze von vierundzwanzig Karat, die den Pandabären in allerkostbarster Drolligkeit zeigt -, doch will uns vorkommen, er nehme nicht endgültig Abschied vom Gold, er wisse, schon jetzt seiner Rückkehr voraus, den gesteigerten Wert seiner Schätze, wenngleich tagtäglich der Goldpreis fällt.
Und wie er nun weitere Erträge seiner numismatischen Reisen in ein Kästchen legt, das mit auf die Reise nach Polen soll, den Ein-Unzen-Krügerrand, dessen Prägung den afrikanischen Springbock zeichnet, verschieden gewichtige Schweizer Vreneli, einen Hohenloher Sterbetaler mit prägefrischem Stempelglanz und zwei Gedenkmünzen umbettet, die in der Sowjetunion geprägt wurden und die Tänzerin Ulanova, den Sänger Schaljapin zum Motiv haben, fragen wir uns, was soll dieser Abschied einerseits, diese Auswahl andererseits? Kann er vom Gold sich nicht trennen? Soll etwa Polen mit Gold beglückt werden? Jetzt legt er mexikanische Münzen und zum Schluß den die Welt beherrschenden, den goldenen US-Dollar dazu.
Was immer unser Herr Matzerath plant, er hat Zukunft im Sinn und hangelt sich von Termin zu Termin; wie ja auch ich bis in meine Ausflüchte hinein verplant bin; oder das Schiff, auf Kurs gebracht unterwegs; oder der Maler Malskat, den dazumal, kaum war der Dom zu Schleswig nach seinem Empfinden ausgemalt, weitere Aufträge in hochgotischen Dienst nahmen: vom Frühjahr neununddreißig bis in den September hinein verhalf er dem Heiligengeisthospital in Lübeck zu Ansehen. Das will man bis heute in der hansischen Marzipanund Prozeßstadt nicht akzeptieren. Echt gotisch! rufen noch immer die Kunstexperten; Echt Malskat! sagt seiner Handschrift sicher der mittlerweile verbitterte Maler, der sich auf eine Insel im Deepenmoor, auf die nur kommt, wer Hol über! ruft, seit langem zurückgezogen hat.
Auch im Heiligengeisthospital, sagt er auf Befragen, malte ich täuschend echt, bis ich Soldat wurde; denn wenige Monate vor Malskats Einberufung hatte an allen Grenzen Polens der Zweite Weltkrieg begonnen.
Abschied nehmen mußte der Maler von rotbrauner Konturfarbe, von Drahtbürste und Puderbeutel, von der heiteren Einsamkeit in den Hochgerüsten norddeutscher Sakralbauten von Zugluft und ewigem Sommerschnupfen, doch hörte der Soldat Malskat nicht auf zu hoffen, es werde ihm nach dem Krieg die eine oder andere Kirche offenstehen, auf daß er ihre Chöre, Strebepfeiler und Fensterleibungen immer hoch oben und allen Zeitvergleichen entrückt mit seinen gotischen Händchen beglücke.
Und wir? Wir hoffen nicht minder. Immer noch meine Weihnachtsratte und ich in unserer Ordnung, deren Pausen das Dritte Programm ausfüllt: Hallo, wir sind noch! Es gibt uns ausführlich kommentiert. Wir hören, was läuft, stattfindet, sich vertagt. Uns sind selbst Wasserstandsmeldungen Botschaft. Wir geben uns und den Wald nicht auf. Wir sind nach Zukunft verrückt, auch wenn ich, zugegeben, in tieferen Stockwerken auf Verlust gestimmt bin; denn als mir träumte, ich müßte Abschied nehmen von allen Dingen, träumte mir auch, ich müßte Abschied nehmen von allem Fleisch, darin ein lebendiger Odem ist...
Mit neuer, gebleichter oder gefärbter Wolle an Bord, die sie in Stege zwischen den Ausverkaufsläden und ihren Udsalgschildern, in einem Wolladen mit stabilen Preisen gekauft haben, ankert ihr Schiff eine knappe Seemeile vor Møns Klint, der schroff kreidigen Steilküste gegenüber, die so hoch ragt, daß von ihren bewaldeten Kuppen bei guter Sicht das der Insel Rügen vorgelagerte Hochland der Insel Hiddensee zu sehen ist. Sie haben den Doppelanker an bedeutender Stelle geworfen. Damroka ruft alle auf: vom Dronningeskamlen und Dronningestolen zum Storeklint über Hytjedals Klint bis zum Lilleklint sagt sie dänische Namen her. Bei Morgensonne geht von der Kreideküste ein Glanz aus, der die grüne See ihr zu Füßen milchig trübt; sobald der Abend dämmert, droht die Küste verschattet. Soeben noch scharf gezeichnete Schrunde geben ihr Helldunkel auf. Das bleiche Massiv steht abweisend gegen die See, deren Grau sich der Tarnfarbe ostwestlicher Kriegsschiffe angeglichen hat.
»Genau hier«, sagt die Steuermännin,
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