Die Räuber
ein
zweiter sich bemühte, den Postillon hinunterzuziehen von sei-
nem Sitz. Indem es aber dem Postillon gelang, sich durch ei-
nen Peitschenschlag ins Gesicht des Räubers von dem Angriff
zu befreien, hatte Willibald mit seinem guten Doppelgewehr
den andern so richtig aufs Korn gefaßt, daß er wohlgetroffen
niederstürzte. Hartmann wollte seine Pistolen auf den Räuber
abdrücken, der auf den Wagen zusprang, fühlte sich aber in
demselben Augenblick von einem Schuß verwundet. Willi-
bald schoß den zweiten Lauf seines Gewehrs auf diesen Räu-
ber ab, indem der Postillon die Pferde anpeitschte und fort-
jagte in gestrecktem Galopp. Nun hörten sie hinter sich Schuß
auf Schuß fallen und ein wildes wütendes Geschrei. „Ho ho,“
jauchzte der Postillon auf, als sie eine gute Strecke davon wa-
ren, „ho, ho, nun ist’s gut, nun ist’s gut, die Jäger des Herrn
Grafen sind heran!“
Alles war der Vorgang eines Moments, und überrascht von
der bedrohlichen Gefahr, stets gespannt, eines wiederholten
Angriffs gewärtig, kamen sie erst zur Besinnung, als der Po-
stillon schon anhielt auf der neuen Station. Unerachtet die Ku-
gel nur Hartmanns rechten Arm gestreift, blutete die Wunde
doch so stark und schmerzte so heftig, daß an Weiterreisen
gar nicht zu denken war. Ein elendes Wirtshaus, das kaum
die gewöhnlichste Bequemlichkeit darbot, kein ordentlicher
Wundarzt in der Nähe, alles dieses setzte die Freunde in nicht
geringe Verlegenheit, die bei Willibald zur ängstlichsten Sorge
wurde, als nach dem Verbande, den ein elender Bartscherer
ungeschickt genug angelegt, Hartmann in ein nicht gar leich-
tes Wundfieber verfiel. Willibald verwünschte Hartmanns
Herzhaftigkeit oder vielmehr seinen Leichtsinn, der sie nun
plötzlich festbannte in ein verwünschtes Loch, so daß bloß
dieser Aufenthalt nun doch, da sie dem mörderischen Angriff
glücklich entrannen, Hartmanns Leben in Gefahr setzte und
vielleicht gar die ganze Reise vereitelte. —
Am andern Morgen, als eben Hartmann erklärte, daß er
zur Not die Reise fortsetzen könne, und Willibald hin und
her überlegte, was nun geratner sei, zu bleiben oder zu reisen,
ohne zum Entschluß zu kommen, wandte sich die Sache un-
vermutet ganz anders.
Seitwärts, von dem Mulda-Fluß durchströmt, lag nämlich
die reiche weitläuftige Herrschaft des Grafen Maximilian von
C., und von diesem an die Freunde abgesandt, erschien ein
Diener, der sie auf das dringendste einlud, sich auf das Schloß
des Grafen zu begeben, das nur wenige Stunden entlegen. Der
Herr Graf, fügte der Diener hinzu, habe vernommen, daß die
Herrn Reisenden auf seinem Gebiet von Raubgesindel ange-
fallen und der eine von den Herrn bei tapferer Gegenwehr
sogar verwundet worden. Zu spät wären seine Jäger herbei-
geeilt, um die Gefahr ganz abzuwenden oder wenigstens den
Herren beizustehen. Für seine Pflicht halte es daher der Herr
Graf, die Herrn Reisenden so lange aufzunehmen in seinem
Schlosse, bis der verwundete Herr völlig hergestellt sein werde
und seine Reise fortsetzen könne.
Die Freunde mußten diese Einladung für eine besondere
Gunst des Schicksals halten und nahmen daher um so weni-
ger Anstand, ihr zu folgen.
Dem reitenden Diener war eine große, wohlausgepolsterte,
mit vier schönen Pferden bespannte Kutsche, in der sich noch
eine Menge weicher Kissen befanden, gefolgt. In diese wurde
von den andern noch mitgekommenen Dienern Hartmann
mit einer Behutsamkeit gepackt, als sei er verwundet auf den
Tod, und jeder harte Stoß könne in der Tat ihm augenblicklich
das Leben kosten. Hartmann machte, als ihn die Leute in
den Wagen trugen, unerachtet er recht gut zu Fuße, solch ein
grämliches leidendes Gesicht, als sei er selbst überzeugt von
der großen Gefahr seines Zustandes, worüber denn Willibald
im Innern recht herzlich lachen mußte. — Fort ging es nun
in sehr leisem Trab, Willibald folgte der Krankenkutsche in
dem Reisewagen.
Es schien, als habe der Graf die Ankunft der Freunde gar
nicht erwarten können, denn schon am äußern Portal des
Schlosses wurden sie von ihm empfangen.
Graf Maximilian von C. war ein stattlicher Herr in den
siebziger Jahren, das zeigte sein schneeweißes Haar und sein
tiefgefurchtes Antlitz. Dem Alter trotzte aber die jugendliche
Raschheit in der Bewegung, die starke wohltönende Sprache
und das milde Feuer, das in den großen sprechenden Augen
strahlte. Eben ein ganz besonderer Blick
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