Die Räuber
bald aufgeführt! — Ja, ich bin Franz, den Amalia
verabscheut! — Aber nicht, bei Gott, bei allen Heiligen, nicht
jener Verworfene, dessen Gestalt dem Dichter aus der Hölle
selbst aufstieg. Nein, nur ein Unglücklicher, den ein schwar-
zes Verhängnis erfaßt, dem schmerzliebsten qualvollsten
Tode geweiht hat — und dies Verhängnis ruht unvertilgbar in
seiner eigenen Brust. — Verlassen Sie mich, erwarten Sie mich
in Ihrem Zimmer.“
Wirklich trat bald, nachdem die Freunde zurückgekehrt
waren in ihr Gemach, Graf Franz ebenfalls hinein. Er schien
sich ganz erholt, ganz gefaßt zu haben und begann mit leisem
ruhigen Ton: „Der Zufall hat Sie in den Abgrund blicken las-
sen, in dem ich wohl rettungslos untergehen werde. Ich nenne
es nicht unbedachtsam, nein, dasselbe finstere Geschick, das
bedrohlich über mir schwebt, zwang Sie dazu, mich an die
seltsame Ähnlichkeit der Gestaltung unseres Hauses mit der
in jenem schauderhaften Trauerspiel zu erinnern, an die ich,
so sehr sie ins Auge springen mag, doch früher niemals ge-
dacht. Es war, als reichten Sie mir den Schlüssel dar zu dem
furchtbaren Geheimnis, das sich mir nun auftun würde, und
nicht der Zufall, nein, eben jenes finstre Geschick habe Sie
hergeführt, mich zu stürzen in den Abgrund. Wie mich die
Ursache Ihres Erstaunens bei der Tafel, der ganze Aufschluß
deshalb im Innern zermalmte, wird Ihnen nicht entgangen
sein. Erfahren und erstaunen Sie noch mehr über das rätsel-
hafte Wirken des wallenden Geistes, daß ich wirklich einen
älteren Bruder habe, Karl geheißen. Doch nicht jener entsetz-
liche, aber wahrhaft große Räuberhauptmann ist jener Karl —
nein. — Schwer, sehr schwer wird es mir, von der Schmach
zu sprechen, die unser Haus befleckt, aber das, was sich vor
Ihren Augen soeben begab, zwingt mich dazu, und das voll-
ste Vertrauen hege ich, daß Sie alles, was ich Ihnen entdecke,
bewahren werden als ein tiefes Geheimnis. — Schon in frü-
her Jugend bewies Karl bei einer vorzüglich schönen Gestal-
tung die seltensten Fähigkeiten des Geistes, ja in allem, was
er begann, eine schimmernde Genialität. Um so entsetzlicher
schien es daher, daß ebenso früh sich sein entschiedener Hang
zu Ausschweifungen, ja zu Abscheulichkeiten jeder Art aus-
sprach. Dies war unserm Hause, den glorreichen Ahnen so
fremd, daß mein Vater den Fluch einer grausen Tat darin er-
blicken wollte. — O Gott! — man sagte, Karl, der Erstgeborne,
sei die Frucht eines bösen Frevels, dem meine Mutter unterlag.
Auch Amalia soll ihre Geburt einem schändlichen Truge ver-
danken, der einer vom Wahnsinn der Liebe zum Verbrechen
hingerissenen Frau den Mann in die Arme führte, den meine
Mutter einst liebte, und den sie meinem Vater aufzuopfern
gezwungen. — Sie sehen, daß für einen handfesten Psycho-
logen es hier viel zu deuteln gibt, keinen von Ihnen mag ich
aber dafür halten. Lassen Sie mich schweigen von der unun-
terbrochenen Reihe von Bosheiten und schlechten Streichen,
die, dem Vater zu steter Qual, Karls ganze Laufbahn auf einer
fremden Universität beschmutzten. — Endlich gelang es dem
Vater, ihm Militärdienste zu verschaffen. Er brachte es bis zum
Hauptmann: es ging ins Feld; da — bestahl er die Kriegskasse,
wurde infam kassiert und nach der Festung geschafft. — Er
entsprang, und wir hörten nichts mehr von ihm. — Man
schrieb mir vor einiger Zeit, daß man aus guter Quelle wisse,
der infam kassierte Graf Karl von C. sei als Hauptmann ei-
ner Räuberbande im Elsaß eingefangen worden und werde
nächstens hingerichtet werden. Ich habe dafür gesorgt, daß
der Vater nichts davon erfährt, nichts erfahren kann, dieser
letzte Schlag würde ihn augenblicklich töten. — Und diesen
Verworfenen liebt die Gräfin, liebt ihn mit einer grenzenlosen
wahnsinnigen Inbrunst. Zwölf Jahre war Amalia alt, als Karl
das väterliche Haus verließ, in dem die vater- und mutterlose
Nichte aufgenommen worden. Finden Sie es möglich, daß
ein Kind in solcher Liebe entbrennen, daß diese Liebe, eine
unverlöschbare Flamme, ihr ganzes Wesen ergreifen konnte?
Ein satanisches Geheimnis ist diese Liebe, und die Schauer
der Hölle durchbeben mich oft, wenn ich Amalia erblicke,
in Gram, in Schmerz aufgelöst, verzehrt von den Qualen ei-
ner Sehnsucht, die alles, was Tugend, was Jungfräulichkeit
heißen mag, frech verhöhnt! — Sie wollen von mir selbst hö-
ren? — Nun, mit eben der Inbrunst, mit
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