Die Räuber
dieser Augen mußte
jeden gleich für den alten Herrn einnehmen, denn in ihm ging
alle herzliche Gemütlichkeit eines lebensfrohen Jünglings auf.
Der Graf bewies bei dem Empfang der Freunde einen gast-
lichen Eifer, der ihnen als ganz ungewöhnlich auffallen mußte.
Selbst ergriff er Hartmanns Arm und half ihn die Treppe her-
aufführen. Sogleich sollte in seiner Gegenwart der Wundarzt
des Schlosses Hartmanns Wunde verbinden. Der Wundarzt
besorgte das mit geschickter kunstgeübter Hand und erklärte
dann, daß die Wunde auch nicht im mindesten gefährlich sei,
daß das Fieber nur dem ersten ungeschickten Verbande zuzu-
schreiben, daß eine einzige ruhige Nacht auch dieses vertrei-
ben und die Wunde in gar kurzer Zeit völlig heil sein werde.
Während die Freunde sich nun an den Erfrischungen er-
labten, die der Graf herbeibringen lassen, gab sich Willibald
ganz der frohen Laune hin, die die unerwartet günstige Wen-
dung des bedrohlichen Zufalls, der wahrhaft gemütliche Emp-
fang und die Aussicht, die wenigen Tage, deren Hartmanns
Genesung bedurfte, recht behaglich zuzubringen, in ihm ge-
weckt. Ein Gleiches tat Hartmann, soweit es sein krankhafter
Zustand erlaubte, und versicherte, daß er nun erst den größ-
ten Schmerz seiner Wunde fühle. Dieser Schmerz sei aber
eigentlich nur psychisch und bestehe in der tiefen Betrübnis,
nicht von dem Tokaier genießen zu dürfen, der so herrlich in
den blankgeschliffnen Gläsern perle. Auch dieser Betrübnis,
meinte der alte Graf, müsse abgeholfen werden, und fragte
den Wundarzt auf Gewissen, ob Hartmann nicht wenigstens
ein halbes Glas jenes feurigen Weins genießen dürfe. Als nun
der Wundarzt, wiewohl kopfschüttelnd, einwilligte, da erhob
der alte Herr sein gefülltes Glas und rief lachend: „Wahrhaftig,
die Räuber sollen leben, insofern sie nicht von meinen Jägern
oder von den herumstreifenden Husaren niedergeschossen
oder niedergehauen sind, denn ihnen verdanke ich eine große
Wohltat. Ja! ihr lieben wackern Herrn — doch nein, nicht
Herrn, ihr lieben wackern Freunde. Denn befreundet seid ihr
mir in euerm Wesen ganz und gar, und mir geht bei euch das
Herz so auf, als hätt’ ich schon mit euch seit langer, langer
Zeit die frohsten Tage verlebt, ja, eine wahre Wohltat ist es
für mich, daß ich euch aufzunehmen in meinem Schlosse Ge-
legenheit fand.“ — Nach manchem fröhlichen Gespräch hin
und her, nach manchen drolligen Schwänken, die dieser, jener,
ja selbst der alte Graf vorgebracht, so daß das anhaltende laute
Gelächter auf ein lustiges Gelag muntrer Jünglinge zu deu-
ten schien, meinte der Wundarzt, es sei Zeit, dem Kranken
Ruhe zu gönnen. Willibald bat es sich aus, bei dem Freunde
bleiben zu dürfen, und so mußte der alte Herr, der sich un-
gern von den Freunden trennte, sich mit dem Versprechen
begnügen, daß beide folgenden Tages unfehlbar bei der Mit-
tagstafel erscheinen würden. — Er beteuerte, daß ihm die Zeit
bis dahin gewaltig lang werden und er dem säumenden Koch
Exekution in die Küche schicken würde, damit er die Tafel
beschleunige. —
Die Freunde verwunderten sich höchlich über die jugend-
liche Lebendigkeit des alten Grafen, sowie über den so aus-
nehmend gastlichen Empfang, dessen sie sich als gänzlich
Fremde erfreut, und rühmten das in Gegenwart des jungen
Menschen, der sich zu ihrer Bedienung eingestellt. „Ach!“
sprach dieser mit gutmütigem treuherzigen Ton, „ach meine
lieben gnädigen Herren, das ist nicht immer so! Der gnädige
Herr Graf, ja, der ist gar zu gern froh und vergnügt und dabei
die Gnade und Güte selbst gegen jedermann, aber er kann es
ja nur, wenn fremde Gäste kommen, aber die kommen selten,
beinahe gar nicht, denn keiner mag — Nun, wenigstens sind
solche fröhliche liebe Gäste, wie Sie es sind, und wie sie eben
recht passen für unsern gnädigen Herrn Grafen, hier nicht
gewesen seit Gedenken. Ach! wenn nur nicht —“
Der junge Mensch stockte, die Freunde blickten ihn
schweigend an, gespannt durch das Geheimnisvolle, was in
der Rede lag.
Da fuhr der junge Mensch fort: „Nun, warum sollt’ ich
es denn nicht sagen, es ist hier im Schlosse nicht alles so, wie
es sein sollte, es gibt viel Kummer und Gram, und soviel un-
sereins mit seinem schwachen Verstande begreifen kann und
davon erfahren hat, mag wohl Grund genug dazu vorhanden
sein. — Sie bleiben gewiß noch lange Zeit hier, meine gnädi-
gen Herren, unser
Weitere Kostenlose Bücher