Die Räuber
das alles hat mich herge-
bracht. Also, gestern früh, da ich mich ungewöhnlich frisch
und stark fühlte, unternahm ich eine weitere Ausflucht als
gewöhnlich. Ich war in eine wildverwachsene Bergschlucht
geraten, da gewahre ich plötzlich ein Frauenzimmer von ho-
her schlanker, jugendlicher Gestalt, in einem schwarzseide-
nen, mit Samtborten, nach altdeutscher Art zugeschnittenen
Kleide und einem sehr zierlichen reichen Spitzenkragen, das
wenige Schritte vor mir herwandelte. Die Erscheinung einer
einsamen, sauber gekleideten Dame hier in der öden Wild-
nis hatte in der Tat etwas sehr Seltsames. Ich dachte, hier sei
es wohl nicht unschicklich sie anzureden, und eilte ihr nach.
Dicht hinter ihr war ich schon, als sie sich umschaute. Ich bebte
erschrocken zurück, sie floh, laut aufkreischend, ins Gebüsch
und war in einem Moment verschwunden. — Nicht das bleiche,
von Gram und auch wohl von beginnendem Alter entstellte
Antlitz, das doch noch Spuren hoher Schönheit trug, nur der
unheimliche Blick, der dunkles Feuer sprühenden Augen, war
es, vor dem ich zurückbebte. Nicht für ratsam hielt ich es, der
Fremden zu folgen, und zwar aus doppeltem Grunde. Einmal
war ich geneigt, nach jenem Blicke die Fremde für eine Wahn-
sinnige zu halten, dann aber lief ich Gefahr, mich ganz zu ver-
irren, da es mir jetzt schon Mühe genug kosten mußte, den
nächsten Weg zur Heimat zurück zu finden. — Als ich an der
Wirtstafel mein Abenteuer erzählte, sagte mir mein Nachbar,
der schon seit vielen Jahren Töplitz jeden Sommer zu besu-
chen pflegte, daß jene Frau allerdings eine Wahnsinnige und
von vielen Personen in Töplitz sehr wohl gekannt sei. — Vor
mehreren Jahren ließ sich nämlich eine junge Person in der
Gegend von Töplitz sehen, die bald in zerlumpten Kleidern
bei den Bauern bettelte, bald, besser gekleidet, Juwelen von
nicht ganz geringem Werte feilbot und dann wieder in den
Bergen verschwand. Das abergläubige Volk hielt sie für ein
Waldweib, für eine Berghexe und bat einen Geistlichen aus
Töplitz, den bösen Geist zu bannen. Der Geistliche versprach
das, während er ganz anderes im Sinne trug. — Bald geschah
es auch, daß er in der Gegend, wo die Person sich zu zeigen
pflegte, wandelnd, sie wirklich traf und von ihr angebettelt
wurde. Der Geistliche, ein Mann von hellem Verstande, von
richtigem psychologischen Blick, merkte aus den ersten Re-
den, daß er eine Wahnsinnige vor sich habe. Es gelang ihm,
ihr Zutrauen zu gewinnen, und unerachtet er sich das, was sie
ihm über ihren Stand, ihre Herkunft, ihr jetziges Verhältnis
sagte, gar nicht zusammen zu reimen wußte, so ging er doch
darauf endlich mit vieler Geschicklichkeit ein. Des Geistli-
chen Zuspruch schien ihr wohlzutun, sie versprach, an dersel-
ben Stelle sich wieder einzufinden, und hielt Wort. — Endlich
nach mehreren Unterredungen kam es so weit, daß die Wahn-
sinnige ihm willig nach Töplitz folgte, wo er sie bei einem
Hausbesitzer, dessen Besitztum entfernter lag, unterbrachte
und ihm auch ein Kästchen mit Juwelen einhändigte, das
sie im Walde vergraben. Der Geistliche war von der vorneh-
men Abkunft der Wahnsinnigen überzeugt, er ließ daher eine
öffentliche Aufforderung an etwanige Verwandte ergehen, in
der er ihre Person sowie die ihm anvertrauten Juwelen auf das
genaueste beschrieb. — Nicht lange dauerte es, so erschien der
junge Graf Bogislav von F. in Töplitz und erklärte, nachdem
er lange Zeit sich mit der Wahnsinnigen unterhalten, daß sie
eine Verwandte seines Hauses sei, für die er, da sie sich von
ihrem jetzigen Aufenthalt durchaus nicht trennen wolle, ein
ansehnliches Jahrgeld zahlen werde. — Mein Nachbar schloß
damit, daß er mir riet, die Bekanntschaft der Wahnsinnigen
zu machen, die nur auf ihren einsamen Spaziergängen scheu,
sonst aber sehr mild und gut sei. — Ich ging heute nachmittags
hin. — Die Wirtsleute schienen auf dergleichen Besuche vor-
bereitet zu sein, sie sagten mir, daß die Gräfin gleich zurück-
kehren werde von ihrem einsamen Spaziergang. Wirklich trat
bald darauf die Dame ganz in demselben Anzuge, wie sie mir
gestern im Walde begegnete, in das Gemach, begrüßte mich
ohne alles Befremden mit dem vornehmsten Anstande und
nötigte mich, wohl wissend, daß nur ihr mein Besuch gelte,
Platz zu nehmen. Ohne Spur des Wahnsinns sprach sie von
gleichgültigen Dingen, bis ich, selbst weiß ich nicht, wie mir
das einkam,
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