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Die Räuber

Die Räuber

Titel: Die Räuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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und unbefangensten Laune. Ja, der Scherz stieg bei-
    nahe bis zur Ausgelassenheit, der Wundarzt hörte nicht auf
    um Verzeihung zu bitten seines Lachens halber und wollte
    immer wieder dazwischen fragen, ob denn die gnädige Grä-
    fin heute wirklich getraut worden. Der Geistliche schnitt ihm
    dann aber gleich das Wort ab, und es war possierlich genug
    anzuschauen, wie er ganz verblüfft dasaß mit offnem Munde
    und gar nicht begreifen konnte, warum er nichts wissen solle
    von der Hochzeit, die seines Bedünkens gefeiert würde, wie-
    wohl im stillen ohne Braut. — Nur Graf Franz schien, von
    bösen Ahnungen gepeinigt, in steter Unruhe. Bald verließ er
    den Gartensaal, in dem man versammelt, bald kehrte er wie-
    der zurück, sah aus dem Fenster, trat vor die Türe etc. Man
    trennte sich in später Nacht.
    Andern Morgens vernahmen die Freunde ein ungewöhn-
    liches Hin- und Herlaufen im Schlosse, Stimmen durchein-
    ander, Waffengeräusch u. s. w. Sie traten an das Fenster und
    sahen, wie eben Graf Franz bewaffnet an der Spitze der Jäger
    fortsprengte. Der Diener, der sonst jeden Morgen hinaufkam
    mit dem Frühstück, blieb aus. Irgendein bedrohliches Ereig-
    nis ahnend, stiegen die Freunde herab. Sie begegneten lauter
    blassen verstörten Gesichtern, niemand stand Rede.
    Endlich gewahrten sie den Geistlichen, der aus den Zim-
    mern des alten Grafen trat. Von ihm erfuhren sie alles. — Grä-
    fin Amalia war spurlos verschwunden! — Als sie des Morgens
    nicht, wie sie sonst zu tun pflegte, dem Kammermädchen
    klingelte, ging dieses nach ihrem Zimmer. Sie fand die Türe
    verschlossen, und da sie auf alles Klopfen, auf alles Rufen
    keine Antwort erhielt, geriet sie in große Angst und Besorg-
    nis. Sie lief herab, schrie laut, daß Gräfin Amalia tot sei oder
    wenigstens in tiefer Ohnmacht liege, und bald war das ganze
    Schloß versammelt vor dem Zimmer der Gräfin. Man stieß
    die Türe ein, Amalia war entflohen, entflohen in demselben
    prächtigen Anzuge, den sie Tages vorher getragen. Sie hatte
    sich nicht entkleiden lassen und es selbst nicht getan, da man
    sonst den Anzug im Zimmer hätte finden müssen. — Auf
    dem Marmortisch vor dem Spiegel lag ein kleiner Zettel, auf
    dem die wenigen Worte von Amaliens Hand standen: „Die
    Braut eilt in die Arme des Bräutigams.“
    Ganz unbegreiflich schien es, wie Amalia hatte unbemerkt
    entfliehen können. Bei Tage war das ganz unmöglich, da sich
    innerhalb und außerhalb dem Schlosse eine Menge Menschen
    bewegten, die gewiß die Gräfin, noch dazu in ihrem unge-
    wöhnlichen reichen Anzuge, bemerkt haben würden. Floh die
    Gräfin zur Nachtzeit, so war es wieder nicht zu erklären, wie
    sie aus dem Schlosse hatte kommen können, dessen Tor man
    am Morgen fest verschlossen fand. An eine Flucht durch das
    Fenster war bei der beträchtlichen Höhe des Stocks, in dem
    sich der Gräfin Zimmer befand, nicht zu denken. Offenbar
    mußte irgend jemand im Schlosse der Gräfin zur Flucht be-
    hilflich gewesen sein.
    Hartmann erzählte nun, wie sie am gestrigen Morgen im
    Park den alten Daniel mit einem Fremden eifrig sprechend
    getroffen hätten, der dann rasch waldeinwärts fortgesprengt.
    Der Geistliche wurde sehr aufmerksam, ließ sich die Ge-
    stalt des Fremden, seinen Gang, sein ganzes Wesen auf das
    genaueste beschreiben und versank in tiefes Nachdenken. „Es
    ist,“ sprach er dann halb leise, „es ist ein schwarzer Argwohn,
    der in mir aufkeimen will. — Sollte dieser alte Diener — Mu-
    ster der Redlichkeit — sollte jener Verruchte selbst? — Nein,
    es ist nicht möglich! — Und doch — die Beschreibung des
    Fremden — das Gespräch mit Daniel in einer Tageszeit, wo er
    sich ganz unbeobachtet glauben konnte — nun! — bald klärt
    sich ja alles auf. Ist Graf Franz so glücklich, die Gräfin aufzu-
    finden, sie zurückzubringen —“
    „Das,“ rief Willibald lebhaft, „das wolle Gott verhüten! Mag
    Graf Franz die Gräfin für tot, für ewig verloren halten. Den
    durchbohrendsten Gram lindert die Zeit, und selbst der Tod,
    der unüberwindliche Leiden endigt, ist Wohltat für den, des-
    sen Inneres irgendeine heillose Gestaltung des Lebens zer-
    reißt mit namenloser Qual. Mag das entsetzliche Verhältnis,
    der Kampf der brünstigsten Liebe und des tiefsten Abscheues,
    aus derselben unreinen Flamme roher Sinnlichkeit geboren,
    mag dieser furchtbare Kampf, in dem das Edelste untergeht,
    nie mehr dieses Haus verstören!“ —
    „Ach,“ sprach der

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