Die Räuberbraut
war ständig hinter ihr her. Morgens, nachmittags, abends, es machte keinen Unterschied. Vielleicht war es eine Art Nervosität, oder Langeweile, weil es nicht viel gab, womit er seine Zeit ausfüllen konnte; oder vielleicht lag es an der Anspannung, die damit verbunden war, illegal im Land zu sein. Oft wartete er an der Anlegestelle auf sie und ging mit ihr zurück zum Haus und packte sie, bevor sie auch nur die Gelegenheit hatte, die Lebensmitteltüten abzustellen, drückte sie gegen den Küchenschrank, während seine Hände ihren langen, dünnen Rock nach oben schoben. Seine Dringlichkeit verwirrte sie. Mein Gott , ich liebe dich, Gott, ich liebe dich, sagte er bei diesen Gelegenheiten. Manchmal tat er Dinge, die ihr wehtaten – schlug oder zwickte sie. Manchmal tat es sowieso weh, aber wie hätte er das wissen können, da sie nie etwas davon sagte?
Was hatte sie selbst dabei empfunden? Schwer zu sagen. Wenn es weniger gewesen wäre, weniger gewöhnlicher, alter Sex – wenn sie sich weniger wie ein Trampolin vorgekommen wäre, auf dem jemand auf und ab hüpfte –, hätte sie vielleicht gelernt, es mehr zu genießen, mit der Zeit. Wenn sie sich hätte entspannen können. So jedoch löste sie sich einfach von sich selbst, ließ ihren Geist neben sich schweben, füllte sich mit einer anderen Essenz – Apfel , Pflaume –, bis er fertig und es wieder sicher war, in ihren Körper zurückzukehren. Es gefiel ihr, hinterher in den Armen gehalten zu werden, es gefiel ihr, geküßt und gestreichelt zu werden und gesagt zu bekommen, daß sie schön war, etwas, was Billy manchmal tat. Ab und zu weinte sie, was Billy anscheinend normal fand. Ihre Tränen hatten nichts mit Billy zu tun; er machte sie nicht traurig, er machte sie glücklich! Das sagte sie ihm, und er war zufrieden und drängte nicht auf Antworten. Sie sprachen über andere Dinge, sie sprachen nie darüber.
Aber wie hätte es sein können oder sollen? Was wäre normal gewesen? Sie hatte keine Ahnung. Ab und zu rauchten sie Dope – nicht viel, weil sie sich nicht viel leisten konnten, und wenn sie etwas hatten, dann stammte es gewöhnlich von einem von Billys Freunden –, und dann spürte sie manchmal eine dunkle Ahnung, eine Andeutung, ein kleines Flattern. Aber das zählte nicht richtig, weil ihre Haut sich dann sowieso wie Gummi anfühlte, als hätte sie einen Gummianzug an, durchzogen von einem Raster dünner, elektrischer Drähte, und Billys Hände waren wie diese aufgequollenen Hände in den Cartoons, und sie selbst vertiefte sich in die Windungen seines Ohrs oder in den Wirbel blonder Haare auf seiner Brust, und was immer ihr Körper anstellte, ging sie nichts an. Einer von Billys Freunden sagte, es hätte keinen Zweck, gutes Hasch an Charis zu vergeuden, weil sie sowieso die ganze Zeit high sei. Charis fand das unfair, obwohl es stimmte, daß high sein für sie keinen so großen Unterschied machte wie anscheinend für andere Leute.
Billy war natürlich nicht der erste Mann, mit dem sie geschlafen hatte. Sie hatte mit mehreren geschlafen, weil es nun einmal dazugehörte und sie nicht für prüde gehalten werden oder sich nachsagen lassen wollte, sie sei in Bezug auf ihren Körper egoistisch, und sie hatte sogar schon mit einem Mann zusammengelebt, obwohl es nicht lange gedauert hatte. Zum Schluß hatte er sie eine frigide Kuh genannt, so als hätte sie ihm ein Unrecht oder sonstwas zugefügt, was sie verwunderte. War sie nicht liebevoll genug gewesen, hatte sie nicht immer mit dem Kopf genickt, wenn er etwas sagte, hatte sie nicht für ihn gekocht und sich gefügig hingelegt, wann immer er es wollte, hatte sie nicht hinterher die Laken gewaschen, hatte sie sich nicht um ihn gekümmert? Sie war doch kein Mensch, der nicht geben wollte.
Das Gute an Billy war, daß diese Sache, diese Anomalität – und sie wußte, daß es eine sein mußte, weil sie gehört hatte, wie andere Frauen darüber redeten – ihn nicht weiter störte. Er schien es sogar zu erwarten. Er glaubte, Frauen seien so: ohne Bedürfnisse, ohne diesen inneren Drang. Er setzte sie nicht unter Druck, er stellte ihr keine Fragen, er versuchte nicht, sie in Ordnung zu bringen wie dieser andere Mann – der an ihr herumgefummelt hatte wie an einem Rasenmäher. Er liebte sie so, wie sie war. Ohne daß sie darüber gesprochen hätten, ging er einfach davon aus, genau wie sie selbst, daß das, was sie empfand, keine Rolle spielte. In dieser Hinsicht waren sie sich einig. Sie wollten beide
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