Die Raffkes
das deshalb einfach, lässt dieses Feld bei den Ermittlungen aussparen. Dabei hält er sich für schrecklich normal. Aber er ist nicht einmal normal, er ist nur schrecklich.«
»Wie habe ich mir eigentlich seine Entlassung vorzustellen?«, fragte Mann.
»Das müsstest du doch wissen. Der Staatsanwalt arbeitet auf politische Weisung. Irgendwann sagt die Politik: Schluss, ich will nicht mehr mit dem. Er ist also gefeuert. Allerdings ist nicht geklärt, ob es wirklich so einfach möglich ist, einen hohen Beamten von seinem Stuhl zu kippen. Vermutlich wird der Generalstaatsanwalt klagen.«
»Sein Verhältnis zur Justizsenatorin ist wahrscheinlich nicht das beste, oder?«
»Das ist in der Tat sehr schlecht. Die Senatorin ist berechtigterweise der Auffassung, dass unter diesem Generalstaatsanwalt niemals aufrichtig gegen die leitenden Leute der Bankgesellschaft ermittelt werden wird. Neulich soll sie während eines Spaziergangs mit Dr. Lehmann zufällig den Generalstaatsanwalt getroffen haben. Sie gifteten sich an und Dr. Lehmann war kurz davor, dem Generalstaatsanwalt ans Bein zu pinkeln.« Ziemann erfreute sich laut lachend an Manns verblüfftem Gesicht und erklärte: »Sie hat einen Dackel. Der heißt Dr. Lehmann. Na ja, wie dem auch sei. Jedenfalls wird die Auffassung der Senatorin in der Staatsanwaltschaft durchaus geteilt. Weshalb es dort schon immer Unruhe gab. Nun, nach Absetzung des Generalstaatsanwalts, sind die Ermittler allerdings regelrecht handlungsunfähig. Niemand kann und will mehr irgendetwas entscheiden. Dem Bürger gegenüber muss der Eindruck entstehen, dass eine Reihe hochgestellte Persönlichkeiten diese Stadt ausnehmen können, ohne dass es jemanden gibt, der sie stoppt.« Nachdenklich setzte er hinzu: »Nicht nur das Klima in der Stadt ist vergiftet, auch das in der Staatsanwaltschaft.«
Sie schwiegen eine Weile und rauchten still. Unvermittelt forderte Mann: »Du hast einen Benny erwähnt. Was ist mit dem?«
Ziemann sah ihn erstaunt an und lächelte dann. »Du interessierst dich ja doch für die Sache. Na gut, erledigen wir Benny im Keller.«
»Ja, macht das mal«, nickte die Hausfrau. »Dann kann ich hier aufräumen.«
Ziemann stand auf, reagierte nicht auf die fragenden Blicke Manns, nahm im Flur einen Schlüsselbund vom Haken, öffnete die Tür und lief voraus. Sie gingen eine steile Betontreppe hinab in den Keller, es roch muffig und feucht.
»Kein Palast hier, aber brauchbar«, sagte Ziemann. Er blieb vor einer Tür stehen, an der über und unter der Klinke schwere Eisenriegel angebracht worden waren, die wiederum von Vorhängeschlössern gesichert wurden. Ziemann öffnete alle Schlösser und Riegel, drückte die Tür auf, machte Licht und sagte: »Hereinspaziert.«
Das Licht stammte nicht von einer Kellerfunzel, sondern war grell. Unter dem Schacht, der hoch zur Straße führte, stand ein schwerer, alter Schreibtisch. Rechts und links an den Wänden Regale, in denen Aktenordner untergebracht waren. Alles in allem sicher mehr als hundert. Vor dem Schreibtisch standen zwei Küchenstühle mit kleinen runden Kissen.
»Das ist mein Archiv«, erklärte Ziemann. Er schaltete die grelle Lampe aus und drückte den Anschaltknopf einer altertümlichen Schreibtischleuchte. Das Licht schimmerte gelblich. »Der Tisch stammt vom Vater meiner Frau. Er war Dorfschullehrer in einem Nest irgendwo bei Frankfurt an der Oder. Es war zu schade, ihn wegzuschmeißen, ich habe ihn zerlegt und hier wieder zusammengesetzt.«
»Was ist das hier?«, fragte Mann.
»Setzen wir uns, ich habe auch einen Schnaps hier unten. Der wird uns gut tun. Pass auf, stolpere nicht, das ist ein Heizlüfter, den ich im Winter benutze. Dann ist es hier saukalt.«
Schließlich saßen sie einander gegenüber auf den Stühlen, und Ziemann goss ihnen einen ordentlichen Schluck von dem Klaren in zwei Wassergläser.
»Das ist mein Archiv«, wiederholte er. »Oder meine Geschichte der Stadt Berlin. Fast alles betrifft den Filz, den Filz der Bankgesellschaft.«
»Meine Güte, du bist ja regelrecht besessen …«
Ziemann überlegte einen Moment ganz ruhig. »Nein, das nicht. Ich bin Profi, ich habe gelernt, falsche Annahmen beiseite zu schieben, falsche Fährten zu eliminieren, meine Irrtümer zu begreifen. Nein, besessen bin ich nicht. Ich hocke hier und warte darauf, dass die Bankgesellschaft zusammenbricht. Sie muss zusammenbrechen und anscheinend ist die Zeit jetzt gekommen … Für faule Kredite und die faulen Objekte in den Fonds mussten so
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