Die Raffkes
genannte Wertberichtigungen vorgenommen werden. Anders ausgedrückt, es mussten Rücklagen gebildet werden. Aber weil die Bank keine flüssigen Mittel mehr hat, ging das nicht so einfach. Und damit die Bankenaufsicht den Laden nicht zusperrte, haben die Verantwortlichen dem Land Berlin eröffnet, dass sie einen Finanzbedarf von etwa sechzehn Milliarden Euro haben, oder sechzehntausend Millionen Euro, falls dir das genehmer ist. Dabei wette ich, dass sie diesen Wert eines Tages noch auf fünfundzwanzig Milliarden erhöhen müssen. Kurzum, sie sind in die Scheiße geschliddert und keiner will vorher etwas davon gewusst haben. Einer der Obermacker, der schon immer den Berliner Filz bediente und der Chef einer der beteiligten Banken ist, muss sich zurzeit rechtfertigen. Doch er wäscht seine Hände in Unschuld und sagt, seine Wirtschaftsprüfer hätten ihm versichert, alles sei in Ordnung, alles legal. Er ist unschuldig, natürlich, niemand hat Schuld.«
»Wie passt Benny zur Bankgesellschaft?«
»Gleich. Erst mal: Prost!«
Sie tranken einander zu.
»Das hier beunruhigt mich etwas.« Mann berichtigte im Stillen: Nicht etwas, sondern das beunruhigt mich in einem hohen Maße.
»Das ist mein Recht als Bürger dieser Stadt.« »Aber du hast hier doch auch Akten? Das können nicht nur Zeitungsausschnitte sein.«
»Es ist sehr viel öffentlich zugängliches Material. Aber es stimmt, es gibt einige E-Mails, die ich niemals hätte lesen dürfen. Zu meinen Freunden gehören auch ein paar Hacker.«
Mann wollte spontan sagen: Das ist illegal!, aber er ließ es und wiederholte stattdessen: »Was ist mit diesem Benny?«
»Er ist tot«, antwortete Ziemann.
Manns Handy störte.
Natürlich, es war Katharina: »Du kannst heimkommen, ich habe meine Verabredung abgesagt.«
»Das kann ich nicht. Ich bin in einer Konferenz.« Er wartete nicht ab, was sie erwidern würde, sondern schaltete das Gerät aus. »Entschuldigung.«
»Die Geißel des einundzwanzigsten Jahrhunderts«, lächelte Ziemann. »Also, hör zu, ich erzähle dir Bennys Geschichte. Eines vorweg: In jedem Vorgang, der als Skandal bezeichnet wird, erreichen die Ereignisse eine Schwelle. Und zwar eine Schwelle, jenseits derer kriminelle Handlungen zu erwarten sind. Ich gebe zu, ich habe dauernd auf diese Schwellen gewartet. Und Benny ist eine solche Schwelle. Also: Einer der mächtigsten Männer der Stadt, Fraktionschef der CDU im Senat und gleichzeitig Chef einer der Teilbanken der Bankgesellschaft, Ulf Blandin, zweiundsechzig Jahre alt, vergab an zwei Mitglieder seiner Partei den unglaublichen Kredit von etwa dreihundertfünfzig Millionen Euro. Selbstverständlich überwiesen die Kreditnehmer, die Inhaber der Firma Terracota , Meier eins und Meier zwei, als Dank für diese großzügige Gabe sofort rund dreißigtausend Euro auf das Konto der Partei. Das ist aber eigentlich nur eine Marginalie in dieser Geschichte. Wichtiger ist die Frage: Wofür brauchten die beiden Meiers so viel Zaster? Antwort: Sie kauften dafür zwanzigtausend Plattenbauwohnungen, die großzügig renoviert werden sollten. Nachdem die Gebäude fertig aufgemotzt waren, wollten sie solvente Käufer finden. Das war das Konzept. Natürlich hagelte es Kritik, dass dieser Kredit vergeben wurde, denn genügend Fachleute wiesen darauf hin, dass dieses Vorhaben Humbug war. Haupteinwand war: In Ossiland gibt es für derartige Wohnungen keine Käufer und aus den Westländern will sowieso niemand so etwas haben. Tatsächlich legte die Firma Terracota sehr schnell eine massive Pleite hin.
Und sie geriet natürlich auch sofort ins Fadenkreuz der Sonderermittler, die der inzwischen geschasste Generalstaatsanwalt hatte zusammenstellen müssen, um die Geschäfte der Bankgesellschaft zu untersuchen. Ein Problem allerdings war, dass die ungeheuren Massen an Geld unglaublich schnell in einem vollkommen undurchsichtigen Firmengeflecht versickert waren. Noch heute sind nach Angaben deines Hauses mindestens zwölf Millionen schlicht unauffindbar. Berlin ist schon immer eine Sickergrube gewesen. So weit zur Vorgeschichte. Und jetzt kommt Benny ins Spiel.« Er trank einen winzigen Schluck und starrte in den Kellerschacht.
»Ein guter Kollege von mir, der Leiter der sechsten Berliner Mordkommission, wurde im September des vergangenen Jahres in den Jagen 59 des Grunewalds gerufen. An einem Baum hing ein Mann. Der Tote war etwa dreißig Jahre alt, hatte keinerlei Papiere bei sich, keine Geldbörse, kein Handy, nichts, womit man ihn
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