Die Raffkes
gereicht und in einem heiteren Ton gesagt: »Jetzt lerne ich Sie kennen, das ist schön. Mein Mann meint, dass Sie ihn rausgeholt haben aus all dem Unglück.« »Ich habe nur ein bisschen geholfen«, hatte er gemurmelt.
Sie hatten viel und geruhsam gegessen und Mann hatte nach einer Stunde in komischer Verzweiflung bemerkt: »Jetzt geht nichts mehr.«
»Wir haben ihnen die Wohnung vermietet, um ihnen eine Chance zu geben. Doch sie zahlen seit sechs Monaten keine Miete mehr. Er vertrinkt das ganze Geld.«
»Es ist euer Haus«, stellte Mann fest.
»Ja«, nickte die Frau lächelnd. »Wir haben es vor zwanzig Jahren gekauft. Alles ruhige Parteien. Nur die über uns, das ist wirklich kaum auszuhalten. Nehmen Sie noch ein Bier?«
»Gerne«, nickte Mann. »Eins darf ich noch.«
Es war das gemütliche Zusammensein in der Wohnung eines Arbeiters und Mann fühlte sich sehr wohl. Sie hatten bis jetzt noch mit keinem Wort über dienstliche Belange gesprochen.
»Haben die da oben Kinder?«, fragte er.
»Ja«, sagte Ziemann. »Das macht es so schwer. Zwei Mädchen, beide unter zehn, liebe Kinder. Ist klar, wie das enden wird. Er wird abstürzen, in irgendeiner Klinik aufwachen, und ich werde ihm verbieten müssen, hierher zurückzukehren. Dann werden wir versuchen eine Arbeit für die Frau aufzutreiben.«
»Und ich werde die Kinder hüten«, murmelte Erna Ziemann.
Ziemann nickte: »Und du wirst die Kinder betreuen. Natürlich.« Er schob seinen Teller beiseite und strahlte Mann an. »Erzähl uns von Frau Sirtel.«
»Ja, die Frau Sirtel. Das war ein chaotisches Gespräch, wobei ich den Eindruck hatte, dass sie alle wirklichen Probleme umging. Zunächst wirkte sie traurig, aber ruhig. Plötzlich explodierte sie. Sie redete von einem Mann namens Sittko, der absolut skrupellos sei, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, um was es ging.« Er gab den genauen Wortlaut des Gesprächs wieder und endete hilflos: »Ich habe nur noch sagen können: Liebe Frau Sirtel, ich kann Ihnen nicht helfen. Dann bin ich gegangen, eigentlich abgehauen. Ich wollte einfach weg, verstehst du?«
»Sehr gut«, nickte Ziemann und starrte aus dem Fenster. Er schien einer Musik zu lauschen, die niemand außer ihm hören konnte. Er schloss die Augen und seine linke Hand kroch langsam hinüber zu der seiner Frau.
Mann, der das beobachtete, fühlte sich eigentümlich berührt.
»Diese Bankgeschichte macht eine Menge Leute meschugge.« Die Stimme von Ziemanns Frau zitterte leicht.
»Ja, diese Bankgeschichte enthält so viele Einzelheiten, die verstörend wirken und die Menschen in die Empörung treiben. Allerdings ist das meiste durchaus nicht kriminell. Nur das Ergebnis überaus leichtfertigen und gierigen Handelns und die Akteure sind egozentrische Typen, die keinerlei Grenzen kennen und denen niemand eine Grenze setzt. Niemand schreit: Schluss!«
»Was hast du eigentlich damit zu tun?«, fragte Mann.
»Nichts, wenn du meinen Beruf meinst. Aber ich bin ein Bürger dieser Stadt. Mein Vater war Dreher bei Siemens, er glaubte an den Sozialismus und war gleichzeitig liberal bis in die Haarspitzen. Eine seltsame Mischung. Er sagte immer: Wir sind alle mitverantwortlich dafür, was mit dieser Stadt passiert.«
»Du hast gestern Abend sofort vermutet, dass die Bombe Sirtel galt, oder?«
»Ja«, bestätigte er einfach.
»Aber warum?«, fragte Mann verzweifelt.
»Sirtel ist gefährlich geworden«, wiederholte Ziemanns Frau die Worte ihres Mannes vom Morgen.
»Gefährlich für diese Leute in den Banken?«
»Genau das«, nickte Ziemann. »Sirtel war ein Insider.«
Mann widersprach: »Das ist doch Quatsch! Ein Banker wird doch nicht hingehen, jemandem eine Bombe in die Hand drücken und sagen: Schmeiß sie auf Sirtel, er wird im Francucci’s sein – und dabei zudem den Tod vieler Unbeteiligter in Kauf nehmen!«
»Oh«, erwiderte Ziemann. »So spielt sich so was nicht ab. Vielleicht muss nur jemand zu jemand anderem sagen: Sirtel wird gefährlich! Und dieser andere hat wiederum Dritte an der Hand, die begreifen, was es bedeutet, wenn jemand gefährlich wird. Und diese Dritten wissen einen Weg zu irgendwelchen Vierten. Aber niemand sagt: Der Mann muss getötet werden!«
»Das würde ja bedeuten, dass die Leute von der Bankgesellschaft Verbindungen zu Kriminellen haben müssen.«
»Diese Vorstellung erschreckt dich, nicht wahr?« Ziemann griff nach seiner blauen Zigarilloschachtel, nahm einen heraus und zündete ihn an. Seine Frau folgte seinem Beispiel, zog aus einer
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