Die Raffkes
plötzlich aussah. Er bekam im ganzen Gesicht rote Flecken und fing an zu stottern. Ich habe noch in der U-Bahn schallend gelacht. Die Leute um mich herum müssen gedacht haben, die dreht durch.«
»Das heißt, dass man hilflos und ein bisschen dumm reagiert«, stellte Mann fest.
»Und wie«, nickte Ziemann. »Die Angestellten der Bankgesellschaft reden verächtlich von den Schwulis der Immobilientochter, von der schwulen Gang. Einem Kollegen von mir ist auch so ein Ding passiert. Er hat sich für ein Grundstück draußen an der Havelspitze interessiert. Doch der junge Spund von der Bank redete offensichtlich über ein ganz anderes Grundstück als das, was mein Kollege meinte. Da kam ein Vorgesetzter dazu, klärte den Sachverhalt und nahm den Jungen mit raus auf den Flur. Und mein Kollege bekam mit, wie der Vorgesetzte in höchsten Tönen zischte: Such dir besser einen anderen Job, du schwule Sau. Ihr schwulen Heinis macht ja jedes Geschäft kaputt. Mein Kollege war vollkommen verwirrt.«
»Aber das beeindruckt mich nicht«, sagte Mann matt. »Das enthält nicht die Spur einer rechtswidrigen Handlung und die sexuellen Vorlieben des Herrn Sittko oder von wem auch immer sind privates Gedöns.«
»Wenn du das Leben von Sittko eingehend untersuchst, wirst du anders denken.«
»Warum sollte ich das tun, Erich?«, fragte Mann aufgebracht. »Ich habe mein Konto bei einer Bank der Bankgesellschaft, klar, aber ich mache keine Geldgeschäfte. Ich habe ein Sparbuch und das ist es dann.«
»Das Denken eines Staatsanwaltes«, murmelte Ziemann.
»Na und?«, erwiderte Mann. »Was ist dagegen zu sagen?«
»Nichts«, sagte Erna Ziemann beruhigend, »wirklich nichts.« Sie warf einen schnellen Blick auf ihren Mann und fragte: »Lederwaren?«, und als er nickte, stand sie auf, ging zum Küchenschrank und nahm ein DIN-A4-Blatt aus einer Schublade, das sie vor Mann auf den Tisch legte. »Schauen Sie sich das mal an.«
Es war eine Kopie von drei Quittungen, ausgestellt von einem Lederwarengeschäft im Zentrum Münchens. Insgesamt hatte jemand neunzehn Teile für rund siebentausend Euro gekauft.
»Was soll ich damit?«, fragte Mann. »Da hat jemand ein Schweinegeld für Herrenaktentaschen, Geldbörsen, Kollegmappen und Rucksäcke ausgegeben. Was soll das?«
»Das sind ordentliche Quittungen über einen getätigten Kauf, ausgestellt kurz vor Weihnachten, verbucht als Weihnachtsgeschenke an Geschäftspartner«, erklärte Ziemann gemütlich. »Ein scheinbar völlig normaler Vorgang. Der Käufer heißt Markus Sittko.« Er schwieg und sah Mann an.
»Lasst mich nicht so hängen, Kinder«, bat Mann.
»Das sind keine Weihnachtsgeschenke an Geschäftspartner«, erklärte Erna Ziemann. »Die neunzehn edlen Lederteile gingen an neunzehn Jungstars in der Firma des Markus Sittko. An die Edelärsche, wenn Sie so wollen, mit denen Sittko während dieser Lebensphase schlief. Fünf dieser Geliebten sind übrigens junge Ehemänner mit netten Frauen und zauberhaften Kindern.«
»Ihr wollt mich nicht verstehen«, klagte Mann. »Das mag so sein, aber das ist doch kein Gesetzesbruch, der da offenbar wird.«
»Richtig, das nicht.« Ziemann nickte geduldig. »Aber man muss doch darüber nachdenken, was der staatsanwaltschaftliche Ermittler macht, der auf diese Quittungen stößt. Der macht nämlich nichts, akzeptiert sie als Belege für Weihnachtsgaben an Geschäftsfreunde. Und wird niemals die Atomsphäre, die Umgangsweisen, die Abhängigkeiten, die Prozesse, die in dieser Firma ablaufen, hinterfragen. Er wird vermutlich die falschen Fragen stellen und konstant in die falsche Richtung marschieren. Gibst du das zu, Herr Staatsanwalt?«
Mann schwieg betroffen. Dann sagte er langsam: »Jetzt verstehe ich, was du meinst. Ich muss das Umfeld berücksichtigen, in dem ich ermittle. In diesem Fall heißt das also, sich auf ein homosexuelles Umfeld einzustellen. Tue ich das nicht, laufen meine Ermittlungen schief.«
»So ist es«, nickte Ziemann. »Und genau das passiert seit vielen Monaten.«
Erna Ziemann hob den rechten Zeigefinger. »Und glauben Sie nicht, junger Mann, dass wir etwas gegen Homosexuelle haben. Unsere einzige Tochter ist lesbisch. Aber wir wissen, dass einige der Ermittler in Sachen Bankgesellschaft Homosexualität für etwas Schleimiges, Ekelhaftes halten und deshalb einfach so tun, als hätte das auf nichts Einfluss.« Sie lächelte fröhlich. »Nach Erichs Kenntnis gehört der Generalstaatsanwalt dazu: Er findet Homosexualität ekelhaft und ignoriert
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