Die Raffkes
Schublade ein Päckchen Drum und begann sich eine Zigarette zu drehen.
»Bankleute sollten zu den Guten gehören, was?«, lächelte sie. »Aber so einfach ist das nicht. Hier in Berlin gibt es zum Beispiel einen Mann, der heißt Grischa Koniew. Er lässt sich ironisch ›Väterchen‹ nennen. Koniew verfügt über unendliche Barmittel, wahrscheinlich stammt das Geld aus Prostitution, Drogenhandel, Autoschiebereien und so weiter. Natürlich alles an der Steuer vorbei. Koniew kann seine Geldbündel schlecht warmsitzen, er muss sie irgendwie einschleusen in den Geldumlauf. Nun hat er bei den Banken, die die Bankgesellschaft bilden, Konten eingerichtet. Darauf zahlt er ein – und es gibt niemanden, der ihn fragt, woher er das Zeug hat. Es muss also eine direkte Linie zwischen Koniew und den Bankleuten geben. Allerdings wird sich nie im Leben einer der hohen Herren mit Koniew zeigen, obwohl der ein sehr nettes und freundliches Familientier ist. Das alles geht schon seit zehn Jahren so und niemand verliert ein Wort darüber.«
Die Frau sah aus wie eine Hausfrau, sie war eine Hausfrau und sie wirkte – hausbacken, ja, das war das richtige Wort. Aber sie dachte, wie ein Kriminalist denken sollte, schoss es Mann durch den Kopf. »Es gibt doch bei uns Leute, die sich um so etwas kümmern. Spezialisten für Wirtschaftskriminalität.«
»Ja«, stimmte Ziemann zu. »Sie glauben dasselbe, was wir glauben, aber sie können nichts beweisen. Manchmal erwischen sie einen Zipfel. Irgendjemand, der nicht sehr wichtig ist, wird angeklagt und geht für eine Weile in den Knast. Nichts an seinen Aussagen deutet auf eine große, über ihm agierende Figur hin. Er ist ein kleiner Mann, der sich die Finger schmutzig gemacht hat, der sogar Reue zeigt. Und eine Zeit lang herrscht wieder paradiesische Ruhe.«
»Was wollte Frau Sirtel mit dieser Schwulengeschichte andeuten? Hat dieser Koniew Schwule um sich?«
Die Ziemanns starrten Mann an und brachen in Gelächter aus. Erich Ziemann beruhigte sich nur langsam. »Nein, nein, der alte Koniew ist dreiundsechzig, hat eine mit Klunkern behangene Ehefrau und acht Kinder. Er kam vor zwölf Jahren aus Moskau und in seinem Pass stand ein J für Jude. Böse Zungen behaupten, dass man in Moskau für dieses J fünfzig Dollar zahlen muss. In unserem Land ist das ein Freifahrtschein. Mittlerweile ist er Deutscher und besitzt in der Kantstraße ein Geschäft für alles mögliche Ramschzeug. Er verkauft russische Samoware, die in Taiwan hergestellt werden, und russische Schwerter aus dem Mittelalter, die koreanischen Ursprungs sind. In diesem Geschäft setzt er rund zwanzigtausend pro Monat um, obwohl dort nie ein Kunde gesehen wird. Natürlich versteuert er diese Einnahmen und er geht jeden Sonntag in die orthodoxe Kirche. Seine Leibgarde ist mit so vielen Waffen ausgerüstet, dass man eine Kompanie der Bundeswehr damit glücklich machen könnte. Koniew ist ein richtiges Schätzchen. Aber er ist nicht schwul. Nein, die Schwulen gehören zu dem Immobilienkönig Sittko.«
»Richtig, Frau Sirtel redete von Immobilien.«
»Sittko ist im Auftrag der Bankgesellschaft unterwegs und kauft Immobilien. Er hat eine eigene Firma mit zurzeit rund zweitausend Angestellten. Und, das ist eben auffällig, die meisten seiner Angestellten sind schwul. Die Immobilien, die Sittko und seine Jungs kaufen, packt die Bank in ihre Fonds und verscherbelt sie an ihre Fondszeichner. Bis jetzt sind es siebzigtausend Kunden. Sittkos Laden ist eine Geldmaschine, wenn du so willst, eine schwule Geldmaschine.« Ziemann schnaufte. »Ja, ja, mein Junge, ich bin Profi genug, um zu wissen, dass die schwulen Fakten in keiner Weise rechtsrelevant sind. Aber die Schwulitäten, oder das schwule Netzwerk, wie es einmal jemand pathetisch nannte, machen die kühlen Geldzocker an, und nicht selten sagt jemand: Gehen wir eine schwule Summe ziehen! Erzähl ihm mal, Erna, wie das neulich in der Bank war.«
Sie lächelte. »Also, ich war am Alex, weil wir unsere Konten da haben. Wir wollten das Dach neu machen und da musste einiges geregelt werden. Der für uns Zuständige ist ein netter Junge, so um die dreißig. Und es war heiß, trotzdem trug er natürlich eine Krawatte und ich bedauerte ihn. Da sagt dieser Kerl plötzlich: Übrigens, Frau Ziemann, ich bin nicht schwul! Und weil ich von Erich wusste, worauf er hinauswollte, antwortete ich mit todtraurigem Gesicht: Donnerwetter! Das ist aber schade! Sie können sich nicht vorstellen, wie blöde der
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