Die Raffkes
stellen Sie sich das vor! Sie sagten, sie müssten mich mitnehmen, sofort. Es waren zwei Amerikaner, ein Mann aus Israel und ein Deutscher.«
»Ich denke, dieser Dreher schützt Sie?«, sagte Mann mit leichtem Vorwurf.
»Der ist noch nicht wieder da. Er kommt erst morgen zurück. Also bin ich mit. Sie haben mich ins Innenministerium gebracht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ein Aufwand, sage ich Ihnen, die sind doch alle verrückt.«
»Und was wollten die Leute?«
»Na ja, sie wollten wissen, warum ich mich in dem Restaurant aufgehalten habe, wie ich das erlebte, die Explosion und so.«
»Und vermutlich haben Sie ihnen dasselbe zu erzählen versucht wie mir. Also das mit dem Freund, der nicht kam.«
»Ja genau. Doch dann bekamen die einen Riesenkrach. Allerdings nicht wegen mir. Der Deutsche fluchte ständig, rannte raus, kam wieder rein, redete auf die anderen ein …«
»Ganz ruhig, Frau Westernhage. Wie lange sind Sie befragt worden?«
»Na ja, wir sind um kurz nach zwei im Innenministerium angekommen und ich bin gegen acht zu Hause gewesen.«
»Sechs Stunden?«, fragte Mann ungläubig.
»Genau. Aber wie gesagt, die meiste Zeit waren die Herren mit was anderem beschäftigt. Haben von Ausschüssen geredet und so was. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, sie hätten mich vergessen.«
»Aber die Version mit dem Freund haben sie geglaubt?«
»Na ja, der Deutsche nicht, der war sauer. Er sagte, sie würden mich in Beugehaft nehmen, wenn ich den Namen des Freundes nicht verrate. Man könne ja auf die Idee kommen, dass der Freund gar nicht hätte kommen wollen, weil er wusste, was passieren würde. Doch wir wurden unterbrochen und der Deutsche regte sich auf, weil die Amerikaner, ohne den Deutschen Bescheid zu geben, irgendeinen Muslimführer in Kreuzberg in die Mangel genommen hatten. Der Deutsche brüllte, die Amerikaner hätten nicht alle Tassen im Schrank. Das hätte Folgen. Und dann hat sich wohl noch rausgestellt, dass FBI-Leute einen griechischen Kneipenwirt, ebenfalls ein Muslim, mit Handschellen an einen heißen Heizungskörper gefesselt und ihn anschließend vergessen hatten. Das war wie im Irrenhaus, kann ich Ihnen sagen. Irgendwann hab ich mich dann beschwert: He, Sie können mich doch hier nicht ewig rumsitzen lassen.«
»Also, Ihr deutscher Betreuer im Innenministerium hat den Freund nicht geglaubt und Ihnen Beugehaft angedroht. Wie ging es weiter?«
»Ich wollte meinen Rechtsanwalt anrufen, doch der Deutsche hat gelacht und gesägt, sie hätten keine Zeit für irgendwelche Rechtsanwälte.«
Sie haben sie nicht ernst genommen, sie war unwichtig für diese sehr wichtigen Leute, überlegte Mann. »Frau Westernhage. Warum haben Sie mich gerufen? Doch nicht, um mir das zu erzählen?«
»Weil der Deutsche am Ende sagte, ich habe Zeit bis morgen früh um zehn. Dann muss ich meine schriftliche Aussage vorbeibringen. Und natürlich den Namen des Freundes nennen. Sonst würden sie ins Büro kommen und meinen Chef befragen.«
»Und das wäre Ihnen peinlich, nicht wahr?«, begriff Mann. »Also gut. Verraten Sie mir endlich, weshalb Sie dort waren?«
»Es war wegen Sirtel.« Manon Westernhage war plötzlich blass geworden. »Wir wollten wissen, wen er trifft.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Na ja, Gerhard Dreher und ich. Wir dachten, Sirtel macht Schwierigkeiten. Wir dachten, er trifft sich mit einem Staatsanwalt, der gegen die Bankgesellschaft ermittelt. Das heißt, Dreher glaubte das.«
»Wenn ich Sie richtig verstehe, wäre das nicht gut für die Bank oder Dreher gewesen.«
»Das ist richtig. Ich meine, er weiß … er wusste sehr viel. Und er hatte sich mächtig aufgeregt wegen der Sache mit Sascha.«
»Bitte, wer ist Sascha? Frau Westernhage, langsam habe ich keine Lust mehr. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zügig erzählen könnten, was geschehen ist.«
»Also, Sascha ist der Sohn von Dr. Sirtel. Er kam eines Tages zu Dreher und wollte einen Kredit über zwei Komma fünf Millionen Euro. Um eine Speditionsfirma zu gründen.« Sie schwieg wieder.
Mann seufzte. Marion Westernhage befand sich offensichtlich in einer Zwickmühle. Irgendetwas war schief gelaufen, aber darüber wollte sie nicht sprechen. Andererseits wusste sie, dass auch die Leute vom Innenministerium nicht ganz dumm waren und die Geschichte mit dem Freund weitere und unangenehmere Befragungen nach sich ziehen würde. Vielleicht war es gut, ihr einen Moment Zeit zu geben und über etwas anderes zu reden.
»Reden Sie weiter!«, ermunterte er sie freundlich.
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