Die Raffkes
Hände im Schoß.
»Ich fasse mal zusammen: Sie waren wegen Dr. Walter Sirtel im Francucci’s . Und Ihr Chef, Gerhard Dreher, nahm an, dass Sirtel Material gegen die Bankgesellschaft gesammelt hatte. Aber warum sollte Sirtel das getan haben? Meines Wissens hat Sirtel schon lange für die Bank gearbeitet und er hat von der Bank gelebt, wenn ich das richtig sehe.«
»Ja«, erklärte sie. »Sie sehen das schon richtig. Aber Sirtel hatte sich in der letzten Zeit verändert. Vom Saulus zum Paulus, wenn Sie wissen, was ich meine. Und als die Sache mit Sascha passierte, da drehte er durch, er stürmte bei Dreher rein und schrie: Sind Sie verrückt? Wie können Sie meinem Sohn einen solchen Kredit einräumen? Wo er doch gar keine Sicherungen beibringen kann! Ich war dabei, ich habe jedes Wort gehört. Dreher antwortete: Beruhigen Sie sich und kommen Sie auf den Teppich zurück. Von mir hat er den Kredit nicht. Das war Blandin. Daraufhin stürmte Sirtel wieder raus.«
»Und ging dann zu Blandin?«
»Das wissen wir nicht. Wahrscheinlich aber eher nicht. Blandin ist der mächtigste Mann in Berlin, den schreit keiner an. Dreher ist zwar der Chef der Bankgesellschaft und Blandin nur der einer Teilbank. Aber gegen Blandin ist Dreher ein Fliegenschiss. Blandin hält die Zügel in der Hand. Dabei darf man auch die politische Komponente nicht außer Acht lassen: Blandin ist nicht nur Bankchef, sondern auch Fraktionsvorsitzender der CDU in Berlin. Und Sirtel, ebenfalls CDUMitglied, war ein paar Jahre lang Schatzmeister der Partei und total abhängig von Blandin.«
Mann nickte. »Jetzt mal zu diesem Kredit für diesen Sascha. Um was ging es da?«
»Sascha Sirtel ist ein attraktiver junger Mann, aber er hat nichts im Hirn. Er hat jede Schule geschmissen, nicht studiert, lungerte rum, lag seinem Papi auf der Tasche. Als er Dreher nach den zweieinhalb Millionen fragte, lehnte Dreher mit der Begründung ab: Der Speditionsmarkt ist dicht und der Markt ist hart. Bleiben Sie da raus! Und er sagte, dass diese Entscheidung nicht diskutierbar sei. Daraufhin ging Sascha rüber zu Blandin. Und er bekam den Kredit. Innerhalb von fünf Minuten.«
»Erstaunlich«, Mann zündete sich eine Zigarette an. »Und wofür speziell brauchte er so viel Geld?«
»Er kaufte vier Mercedes Trucks mit allem Pipapo. Und er mietete sich ein Büro am Savignyplatz.«
»Von wem bekam er Fracht?«
»Da haben wir eine Weile gebraucht, bis wir das herausbekommen haben. Saschas Lkws fahren nach Polen und Russland. Und zwar fährt er für die Moskau Export-Import GmbH und Co KG , der Besitzer der Firma ist ein Strohmann eines gewissen Grischa Koniew, ein zwielichtiger Typ. Wir haben heimlich in die Bücher bei Blandin geguckt. Sascha zahlt seinen Kredit ab, pünktlich und zuverlässig. Tja, und als sein Vater davon Wind bekam, hat er getobt.«
»Das kapiere ich nicht. Warum tobt Sirtel, wenn sein Sohn ein erfolgreiches Unternehmen gegründet hat und seine Kredite bedient?«
»Weil das Geld von Blandin kommt und Sohn Sascha für den Russen arbeitet. Dreher glaubt, dass Blandin in direktem Kontakt zu Koniew steht. Das ist gut möglich, denn beide halten sich manchmal in der Furtwänglerstraße 40A auf. Das ist die Adresse eines Luxuspuffs in Grunewald, ich nehme an, Sie kennen den.«
»O ja, selbstverständlich«, log Mann. »Sagen Sie, Frau Westernhage, dann scheint Gerhard Dreher ja durchaus in der Buchführung von Blandin spazieren zu gehen. Heißt das, dass die beiden sich belauern?«
»Na klar. Das ist doch normal, oder? Sie wollen eben beide wissen, was bei dem anderen läuft. Da geht es um Macht und Position.«
»Und Gerhard Dreher hat Sie auf die Fährte von Sirtel gesetzt?«
»Ja und nein. Er hat gesagt, wir müssten im Auge behalten, was Sirtel so treibt, mit wem er sich trifft. Er hat nicht direkt gesagt: Sieh nach, was der tut. Aber das braucht er auch gar nicht. Ich weiß, was er wissen will. Und gestern Abend – mein Gott, das ist gerade mal vierundzwanzig Stunden her – habe ich eine Akte nach Schöneberg ins Büro von Sirtel gebracht. In dem Moment ist Sirtel in ein Taxi gestiegen. Und da habe ich mir gedacht, schau doch mal, wohin der will, und bin hinter ihm her.«
»Warum wollen Sie den Leuten im Innenministerium das nicht erzählen?«
»Die würden sich doch wahrscheinlich kaputtlachen. Außerdem möchte ich Dreher da raushalten. Er ist in der letzten Zeit so komisch, so angespannt. Und so eine Sache wäre ihm lästig. Nein, dem Kerl im Innenministerium
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