Die Raffkes
Schinken mit drei Spiegeleiern? Ich würde mir das Gleiche antun, damit du nicht allein essen musst.«
»Das ist ein Wort«, sagte Mann.
Wenig später saßen sie im Wintergarten und schwelgten in dem Bewusstsein, dass dies die mindestens dreihundertsten gemeinsamen Spiegeleier auf rohem holsteinischem Schinken waren. Dann rief Marion Westernhage an und der Tag veränderte sich schlagartig.
»Ich will dich nicht lange stören. Nur schnell Bescheid geben: In den nächsten Tagen bin ich nicht erreichbar. Ich muss ein paar Tage beruflich weg.«
»Wie, weg?«, fragte Mann.
»Weg eben«, sagte sie. »Na ja, es ist sehr wichtig und ich werde mich nicht melden können. Ich dachte … Ach, Scheiße, Jochen, ich wollte, dass du das weißt.«
Er antwortete: »Du klingst, als hättest du Angst …«
Hastig sagte sie: »Also, bis demnächst«, und kappte die Verbindung.
Mann blinzelte und murmelte beunruhigt: »Sie hatte eindeutig Angst.«
John kommentierte desinteressiert: »Das kommt vor«, und aß weiter.
Aber die Stimmung war dahin, Mann überlegte besorgt, wovor Marion Angst haben könnte.
John räumte das Geschirr ab, setzte sich dann wieder und zündete sich eine kleine Zigarre an. »Wann werdet Katharina und du endlich heiraten?«
»Das Thema lassen wir bitte«, sagte Mann abwehrend. »Erzähl mir lieber was von der Bankgesellschaft, warum gibt es die überhaupt? Du kennst dich doch auch mit diesen Sachen aus.«
»Na ja«, sagte John gemütlich. »Das ist, wie deine Tante sagen würde, eine gepflegte Filzgeschichte. Vielleicht ist Filz unvermeidlich, vielleicht sogar menschlich. Es fing damit an, dass diese Stadt die Frontstadt gegen den Kommunismus war, die Hauptstadt des Kalten Krieges. Die Bundesrepublik pumpte von Bonn aus jährlich sechzehn Milliarden nach Berlin und die wollten irgendwie verteilt sein. Und dafür war ein gewisser Ulf Blandin zuständig. Blandin hängt nämlich schon seit Jahrzehnten wie die Spinne im Netz im Zentrum des Filzes und wird immer mächtiger. Alle lassen es zu, die CDU sowieso, aber die SPD und die Liberalen sind keinen Deut besser. Jedenfalls hatte Blandin Geld zu verteilen und viele verdienten sich eine goldene Nase. Nehmen wir zum Beispiel die Bauunternehmer: In Berlin wurde grundsätzlich vierzig Prozent teurer gebaut als im Westen des Landes. Allerdings wurde nichts öffentlich ausgeschrieben, egal ob Straßenbau, Wohnungsbau, Verwaltungen. Na ja, und eines Tages fiel die Mauer und Berlin wurde Hauptstadt
– Schluss war es mit den hilfreichen Milliarden.« John lächelte dünn. »Die Kassen der Frontstadt waren leer und die Herren begannen sich Sorgen zu machen. Wie sollte das weitergehen? Natürlich fanden sie eine Lösung, sie sagten: Gründen wir doch eine Bank! Und zwar keine Popelsbank, sondern ein Institut, das einer Hauptstadt würdig ist. Also wurden die Pfandbriefbank Berlin, die Hannoversche Hypothekenbank, die Berliner Sparkasse, die Berliner Bank und die Weber-Bank in einer Holding zusammengefasst und das Ganze Bankgesellschaft Berlin genannt. Als Erstes kriegten die alten Freunde mal wieder Kredite. Nach welchen Kriterien die vergeben wurden, weiß ich nicht, aber dass ein Bauunternehmer der alten Betonfraktion mal eben zwei Milliarden Deutschmark Kredit bewilligt bekam, war nie ein Problem. Blandin konzentrierte sich von Beginn an auf Immobilien, also auf den Verkauf von Immobilienfonds. Denn wir waren ja gerade ein Volk geworden und im Osten gab es viel zu tun und liebliche Filetstücke an Grund und Boden – die man sich sogleich sicherte. Zwar versuchte die PDS zwischendurch, gegen Blandin anzustinken, aber erstens ohne Hilfe der anderen Parteien und zweitens mit unprofessionellen Mitteln. Es passierte also nichts. Doch im Lauf der Zeit wurden die Vorstände der einzelnen Teilbanken ein wenig nervös, denn fast jeder hatte Objekte am Hals, die seine Bank, und damit die Gesellschaft als Ganzes, in Schieflage brachte. Mietzahlungen blieben aus, Hauptmieter gingen Pleite, es entstanden gewaltige Leerstände. Das wollte man natürlich vertuschen. Und nun kam Sittkos großer Auftritt, denn er ist ein Meister des Vertuschens. Was tat der Sauhund? Er gab dem schiefen Objekt, für dessen Miete die Bankgesellschaft gegenüber den Fondszeichnern ja bis zu fünfundzwanzig Jahre lang garantierte, einen neuen Mietvertrag. Hauptmieter war er selbst beziehungsweise seine Unternehmen. Und damit war das Problem vom Tisch und die Ehre der Vorstände gerettet. Natürlich bestehen die
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